Wie gehts weiter? Chancen und Aufgaben der Vending-Branche

Die vergangenen beiden Jahre waren nicht leicht für die Vending-Branche. Wir sprachen mit Erwin Wetzel von der European Vending & Coffee Service Association über die Absage der deutschen Fachmesse Euvend & Coffeena, aktuelle Branchen-Trends und die Herausforderungen der nächsten Jahre.

Homeoffice wird wahrscheinlich zu 20 Prozent weniger Kaffeeverkäufen führen. Abbildung: Kevin Bhagat, Unsplash
Homeoffice wird wahrscheinlich zu 20 Prozent weniger Kaffeeverkäufen führen. Abbildung: Kevin Bhagat, Unsplash

OFFICE DEALZZ: Herr Wetzel, was bedeutet die Absage der Leitmesse Euvend & Coffeena für die Vending-Branche?

Erwin Wetzel: Ausschlaggebend für die Absage waren insbesondere die durch die Coronapandemie verursachten massiven Umbrüche in der Wirtschaft und damit auch der Vending-Branche. Eine hohe Inflation, die Unsicherheit über die weiteren Auswirkungen des Ukraine-Krieges sowie eine allgemeine Verunsicherung durch die Pandemie und etwaige neue Einschränkungen im Herbst. Messen generell werden in der Zukunft weiterhin eine wichtige Rolle spielen, aber deren Zahl wird sich verringern und kleinere Industrie-Events zum Netzwerken werden mehr in Erscheinung treten. Unser Verband plant gemeinsam mit dem Bundesverband der deutschen Vending-Automatenwirtschaft (BDV) ein Event in diesem Herbst zu organisieren, um unserer Branche zu helfen, das Geschäft zu entwickeln.

Welche Rolle spielt der deutsche Markt innerhalb der Europäischen Vending & Coffee Service Association?

Was die Bereiche Vending und Coffee-Service betrifft, ist der deutsche Markt mit 610.000 aufgestellten Automaten der zweitgrößte Markt Europas. Mit 2,5 Milliarden Euro Umsatz ist er in diesen Bereichen sogar der größte Markt Europas. Hier ist auch hervorzuheben, dass fast 45 Prozent der aufgestellten Geräte vollautomatische Tabletop-Kaffeemaschinen sind (ohne Becherausgabe), was im Vergleich zu anderen Ländern ein ziemlich hoher Prozentsatz ist. Das beweist, dass das OCS-Geschäft in Deutschland sehr bedeutend ist und somit Kaffee am Arbeitsplatz eine wichtige Rolle spielt. Über den Zeitraum der letzten zehn Jahre ist der Anteil der „ganzen Bohne“ zudem von 43 auf 71 Prozent gestiegen. Die deutschen Verbraucher haben sich immer mehr vom löslichen Kaffee abgewendet.

Wie hat sich die Coronapandemie auf den deutschen Vending-Markt ausgewirkt, speziell auf den Office-Coffee-Service(OCS)-Bereich?

Deutschland hat nur einen Rückgang der Verkäufe um 22 Prozent gemeldet, europaweit waren es 33 Prozent. Der OCS-Bereich wurde schwerer von der Coronapandemie getroffen, denn viele Büros wurden über Monate nicht besucht und Homeoffice war lange Zeit die Regel. Wir erwarten allerdings einen dauerhaften Rückgang von 20 Prozent der Verkäufe aufgrund des Homeoffice, das in vielen Unternehmen für ein bis drei Tage strukturell eingeführt wurde.

Erwin Wetzel, Generaldirektor der European Vending & Coffee Service Association. Abbildung: vending-europe.eu
Erwin Wetzel, Generaldirektor der European Vending & Coffee Service Association. Abbildung: vending-europe.eu

Wie wird sich der Bereich Micromarkets Ihrer Meinung nach entwickeln?

Wir beziffern die Zahl der Micromarkets auf circa 3.000 in Europa. Wobei diese Zahl auch viele kleinere Versionen beinhaltet und die beiden Länder Russland und Schweden die meisten Micromarkets aufweisen. Der Trend zu Micromarkets ist während der Pandemie ein wenig gebremst worden. Aber wir erwarten, dass viele Operator in diesen Bereich investieren werden, um geschlossene Betriebskantinen zu ersetzen oder um einfach Verpflegung für die Mittagspause am Arbeitsplatz in breiter Auswahl anzubieten. Ein international agierender Operator hat bereits massiv auf Micromarkets gesetzt und ist Partnerschaften mit bekannten Einzelhandelsketten eingegangen, um sich als Food-Tech-Unternehmen zu präsentieren. Ein Micromarket zu betreiben heißt auch, die Möglichkeit zu haben, eine Premium-Kaffeemaschine aufzustellen und einen qualitativ hochwertigen Kaffee zu verkaufen. Daraus ergibt sich für unsere Branche die Möglichkeit, mehr Waren aus dem Premiumsegment zu servieren.

Haben sich die Gewohnheiten der Automatennutzer in den letzten beiden Jahren geändert?

Die Pandemie hat das Image der Branche überhaupt nicht angekratzt. Ganz im Gegenteil, die Verbraucher haben entdeckt, dass Automaten recht praktisch sind, wenn Geschäfte geschlossen haben oder wenn man als Produzent regionale bzw. frische Produkte direkt vermarkten möchte. Outdoor-Vending ist populär geworden und die Nachfrage ist vor allem in Deutschland gestiegen. Die einzige Gewohnheit, die sich wirklich geändert hat, ist, dass der Automatennutzer fast kein Bargeld bei sich trägt und kontaktlos zahlen möchte.

Welche Trends gibt es darüber hinaus aktuell in der Branche?

Die Kunden und Verbraucher verlangen immer mehr Mehrwegbecher. Unsere Automaten mit automatischer Becherausgabe sind in der Lage zu erkennen, wenn jemand seine eigene Tasse hinstellt. Die Hersteller haben hier somit eine gute Lösung gefunden. Kaffeespezialitäten mit zusätzlichen Aromen oder Sirups kommen vor allem bei Jugendlichen gut an. Deswegen ist es wichtig, diese am Automaten anzubieten, wenn man für diese Zielgruppe weiterhin attraktiv sein möchte. Wir haben festgestellt, dass die Herkunft des Kaffees und dass er „fair trade“ ist, jeweils wichtig sind. Wir haben es vermehrt mit Verbrauchern zu tun, die ein umweltfreundlicheres Bewusstsein haben. Wir müssen dementsprechend handeln.

Was sind die größten Herausforderungen für Ihre Branche in den kommenden fünf Jahren?

Den verlorenen Umsatz durch das Homeoffice mit alternativen Geschäftsmodellen und mit mehr Premium wettmachen. Außerdem dürfen die Produktionskosten nicht zu stark steigen, damit Operator weiterhin in neue Geräte investieren. Wichtig wird es neben den Herausforderungen und Chancen der Digitalisierung auch sein, dass neue Regelungen aus der Gesetzgebung nicht zu viele zusätzliche Investitionen verlangen. Denn die Unternehmen haben schon mit steigenden Energie- bzw. Transportpreisen zu kämpfen. Schließlich müssen sie weiterhin wettbewerbsfähig sein.

Vielen Dank.

Die Fragen stellte Gerrit Krämer.