In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.
1) Wie sind Sie zur Bürowirtschaft gekommen?
Volker Weßels: 1998 war ich auf der Suche nach einer neuen beruflichen Herausforderung, nachdem ich zwei Jahre im Industrieministerium in Bangkok ein Geographisches Informationssystem (GIS) eingeführt hatte. Zurück in Deutschland suchte der damalige Bundesverband Bürowirtschaft einen Referenten mit Expertise in (Büro-)Planungssystemen. Da war ich genau der Richtige. Die Umweltthemen habe ich als Geograph auch gerne übernommen.
2) Welche konkreten Aufgaben haben Sie im Industrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA)?
Ich verantworte vor allem das Thema Quality Office, dabei besonders die Bereiche Handel und Beratung. Die Produkte machen vorrangig meine Kolleginnen. Wir sind die Geschäftsstelle des Qualitätsforum Büroeinrichtungen, das der Träger für Quality Office ist. Da fällt viel Organisation an, wie zum Beispiel der kommende Netzwerktag für die Berater. Als zweites großes Thema bearbeite ich das Nachhaltigkeitszertifikat für Büromöbel European Level, das wir im Frühjahr endgültig launchen werden. Ich bin für alle technischen Aspekte der Zertifizierung in Abstimmung mit den europäischen Kollegen zuständig. Außerdem haben wir viele Umweltthemen wie das Elektrogesetz, Verpackung oder Regelungen zu Formaldehyd, die auch unsere Branche betreffen.
3) Auf der Büroeinrichtungsmesse Orgatec wurde im Oktober der Start des Nachhaltigkeitszertifikats European Level öffentlich gemacht. Was verbirgt sich hinter diesem?
Das ist eine gute Frage, die in wenigen Wochen auf www.levelcertified.eu beantwortet wird. Grundsätzlich ist so ziemlich alles enthalten, was in unserer Branche unter „Nachhaltigkeit“ verstanden wird: Prüfung von Produkt, Produktion und Organisation in den Themenbereichen Material, Energie, Atmosphäre, Gesundheit von Mensch und Ökosystem und soziale Verantwortung.
4) Von der Idee bis zur ersten Zertifizierung hat es acht Jahre gedauert – müssen die Mühlen bei solch einem Projekt nun mal so lange mahlen?
Der Kölner Dom hatte 632 Jahre Bauzeit, von anderen Projekten ganz zu schweigen … In den acht Jahren wurde das ursprüngliche US-amerikanische Label gründlich an den europäischen Markt angepasst. Dies geschah unter Mitwirkung vieler europäischer Verbände. Diese Abstimmung dauert. Als das abgeschlossen war, hat allein die europäische Akkreditierung gut zwei weitere Jahre in Anspruch genommen. Damit ist Level jetzt nicht nur umfassender als andere Labels unserer Branche, sondern auch das einzige akkreditierte Nachhaltigkeitslabel im Büromöbelbereich, sozusagen mit staatlichem Gütesiegel.
5) Wie ist der aktuelle Stand bei European Level?
Momentan sind circa 80 Produkte von drei Herstellern zertifiziert. Weitere Hersteller warten gerade auf ihre Zertifikate. Bis zum Jahresende rechnen wir mit 120–150 Produkten. Der aktuelle Stand wird immer auf der Website zu sehen sein.
6) Quality Office – zumindest in der Büroeinrichtungsbranche sollte das jeder kennen. Dennoch: Was verbirgt sich dahinter?
Quality Office ist das einzige Qualitätszeichen, das alle Kriterien für hochwertige Produkte („Products“), kompetente Beratung („Consultants“) und maßgeschneiderten Service („certified“/Händler) verbindet und damit für gute Büro-Einrichtungen steht. Nur zertifizierte Produkte, Berater und Büroeinrichtungsunternehmen dürfen das Quality- Office-Logo tragen. Bei diesem Zeichen vergeben wir die Zertifikate direkt, im Gegensatz zu Level, wo die Zeichen über externe Zertifizierungsstellen geprüft werden.
7) Wie viele Quality-Office-zertifizierte Fachhändler, Berater und Möbel gibt es aktuell und wo kann man sie einsehen?
Auf der Website www.quality-office.org finden sich alle Infos zum Zeichen. Es gibt etwa 380 aktive Berater, 25 zertifizierte Büroeinrichtungsunternehmen sowie circa 460 Produkte. Im Mai erscheint übrigens bereits zum elften Mal ein Sonderheft des Magazins Das Büro mit allen zertifizierten Fachhändlern, Beratern und Möbeln.
8) Was zählt für Sie zu den größten Herausforderungen für die Bürowirtschaft?
Den Wandel aktiv mitzugestalten anstatt den oft IT-getriebenen Entwicklungen der Arbeitswelt einfach zuzusehen. Die Bürowirtschaft ist nicht nur Büroeinrichtung, bei der ich positiv gestimmt auf die weiter wachsende Zahl von „Büro“-Arbeitsplätzen sehe. Auch wenn diese Plätze in wenigen Jahren sehr anders aussehen werden als heute, wird weiterhin Mobiliar an vielen Arbeitsorten für viele Menschen benötigt. Beim Papier und Schreibbedarf wird der Markt jedoch weiter schrumpfen, die Bedeutung von Druck + Kopie sinkt ebenfalls im Zeitalter der digitalen Zusammenarbeit.
9) Und wie können die Herausforderungen gemeistert werden?
Indem sich alle positiv gestimmt auf die Herausforderungen der wandelnden Arbeitswelt einlassen anstatt an alten (Büro-)Besitztümern und oftmals Statussymbolen festzuhalten. Ich persönlich habe einen Shared-Arbeitsplatz in Wiesbaden, ein Home-Office in Köln, benutze die DB Lounges in der ganzen Republik und arbeite unterwegs im Zug. Der grundlegende Wandel der Arbeit findet optimalerweise zuerst im Kopf statt.
10) In wessen Begleitung würden Sie gern einmal mit dem Fahrstuhl steckenbleiben, und was würden Sie von demjenigen wissen wollen?
Mit Sven Regener: Ob schon mal eine Kuh an seinem Fenster vorbeigeflogen ist.
Vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.