In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.
1) Herr Jungeblut, wie sind Sie zur Bürowirtschaft gekommen?
Volker Jungeblut: Meine erste Anstellung im PBS-Bereich war bei der Pelikan AG in Hannover als Sales Executive for Africa. Hintergrund war, dass ich in Südafrika gelebt habe und mich von dort aus beworben habe, um wieder nach Deutschland zurückzukehren. Seit dieser Zeit bin ich in der PBS-Branche geblieben: nach Pelikan war ich bei Montblanc und Filofax. Lange im Exportbereich, inzwischen seit vielen Jahren auf Geschäftsführerebene.
2) Als Geschäftsführer von Filofax waren Sie mit der zunehmenden digitalen Konkurrenz für Terminplaner konfrontiert. Warum haben papierne Kalender-Organizer trotz Outlook & Co. eine Zukunft?
Bei allen Vorzügen und aller Notwendigkeit der Digitalisierung bleibt der Mensch immer noch Mensch mit seinen individuellen Vorlieben. Dazu gehört in wesentlicher Form das Schreiben per Hand. Die Nutzung der Organizer als reines Planungsinstrument geht sicher zurück. Der persönliche Aspekt dieses Tools bleibt aber, unter anderem auch als Notizbuch. Die Filofax-Fan-Gemeinde ist erwachsener geworden und leistet es sich, etwas Schönes zu besitzen und zu nutzen.
3) Wie stehen Sie generell zur Vision vom papierlosen Büro?
Aus ökologischer Sicht können wir das nur begrüßen, ebenso aus organisatorischen Gründen. Die momentane Entwicklung – bedingt durch die Corona-Krise – zeigt uns auf, wie viele Möglichkeiten Home-Office und virtuelles Arbeiten bieten. Völlig papierlos – das ist in den meisten Fällen immer noch illusorisch, aber es gibt wie immer einen Weg dazwischen, den wir alle gehen sollten. Ein Mix aus Büro und Home-Office wird zu einer weiteren Reduzierung des reinen Papierverbrauchs führen, aber nicht kurzfristig zum völlig papierlosen Büro.
4) Wie bewerten Sie den Zustand der PBS-Branche – die Entwicklung im Allgemeinen und vor dem Hintergrund der Corona-Krise?
Bis Mitte März dieses Jahres waren die Zahlen der PBS-Branche ausgesprochen positiv – mit Ausreißern nach oben und unten. Natürlich hat der Quasi-Lockdown einen erheblichen Einfluss auf die Zahlen der Branche allgemein und die unserer Mitglieder gehabt. Die langsame Lockerung, die wir jetzt erleben, belebt nur allmählich das Geschäft. Immerhin fehlen im Fachhandel acht Wochen Umsatz komplett. Verlässliche Prognosen können wir im Moment nicht abgeben. Die Erholung des Marktes wird sich nach meinem Ermessen bis weit in das Jahr 2021 ziehen.
5) Nachdem der PBS-Wettbewerb „Produkt des Jahres“ 2019 ausfallen musste, wurde er von Ihrem Verband nun auf neue Füße gestellt. Wie geht es jetzt mit ihm weiter?
Wir haben ein neues Konzept mit zwei Kategorien entwickelt: B2B und B2C. Geplant ist eine Beurteilung der eingesandten Vorschläge durch eine Fach-Jury von Handel, Industrie und Persönlichkeiten der Branche im Oktober – nach Lage der Dinge virtuell. Die Jury wird pro Kategorie fünf Produkte nominieren. Die Teilnehmer unserer Herbstkonferenz im November werden per Online-Voting ihre Favoriten auswählen. Die Bekanntgabe und die Verleihung der Auszeichnungen findet im Rahmen der Messe Paperworld 2021 in Frankfurt/Main statt.
6) Welche Fehler wurden und werden aus Ihrer Sicht in der PBS-Branche gemacht?
Nicht alle Hersteller und Händler haben sich in den letzten Jahren auf ihre wahren Stärken konzentriert. In der Industrie wurde viel ausprobiert, nicht immer konzeptionell, mit den entsprechenden Folgen. Flops in der Produktentwicklung sind normal, keiner erreicht hier 100 Prozent. Aber es ist ein Unterschied, ob einzelne Produkte nicht erfolgreich sind, oder ganze Produktsparten am Markt vorbei entwickelt werden. Nur mit wenigen Ausnahmen ist die digitale Umrüstung rechtzeitig und konsequent umgesetzt worden. Und ich meine nicht nur Online-Shops, sondern die komplette Ausrichtung von Handel und Industrie im digitalen Bereich. Dies ist aber kein branchentypisches Fehlverhalten. Probleme mit mangelhafter Digitalisierung haben fast alle Branchen.
7) Was zählt zu den größten mittel- und langfristigen Herausforderungen für die PBS-Branche?
Die erforderliche Geschwindigkeit der digitalen Umstellung fordert viel von unserer Branche. Besonders unter dem Aspekt, dass die Mehrzahl der PBS-Unternehmen dem Mittelstand zuzuordnen ist. Das ökologische Bewusstsein aller – Handel, Industrie und Verbraucher – verändert sich mit zunehmender Geschwindigkeit. Hier liegen weitere Risiken und Chancen für unsere Branche. Die Corona-Krise hat uns gezeigt, welche Schwächen unsere Lieferketten haben. Diese müssen zügig optimiert werden.
8) Wie lassen sich diese Herausforderungen vielleicht meistern?
Auch wenn es schmerzlich ist, weitere Konsolidierungen in allen Bereichen werden notwendig sein. Dies ist keine neue Entwicklung, aber durch die jetzigen Umstände wird sich eine andere Dynamik entwickeln. Investitionen in Digitalisierung, Umstellung auf nachhaltige Produktion und entsprechende Logistik sind unabdingbar. Produktionsstandorte müssen überprüft werden auf Zuverlässigkeit auch in Krisenzeiten. PBS-Läden müssen weiter an ihrer Attraktivität arbeiten. Eine reine Versorgungsfunktion wäre ein programmierter Untergang des Fachhandels.
9) Wie stellen Sie sich Büros hierzulande im Jahre 2030 vor? Was könnte dann wichtiger, was weniger wichtig sein als jetzt?
Zehn Jahre sind eine lange Zeit und ich glaube nicht, dass Entwicklungspläne, die man ernstnehmen kann, für diese Branche und sehr lange Zeitspannen erstellt werden können. Aus meiner Sicht wird das Büro in Zukunft sicher weitgehend papierlos. Feste Arbeitsplätze werden in der Minderzahl sein. Nur eine geringe Zahl der Mitarbeiter wird im Büro arbeiten, die anderen im Home-Office oder ortsunabhängig am Tablet/Laptop. Arbeitsmittel wie Tastaturen oder Drucker sehe ich dann nicht mehr im Einsatz. Die momentane virtuelle Kommunikation zeigt uns sehr deutlich, wie wichtig der zwischenmenschliche Kontakt im Kollegen- und Kundenkreis ist. Diese Möglichkeit zu erhalten, wird besonders für die kreative Zusammenarbeit in Zukunft wichtiger denn je.
10) Mit wem würden Sie gern einmal im Aufzug steckenbleiben, um mit ihm worüber zu sprechen?
Mark Zuckerberg, Bill Gates und Dietmar Hopp – das wäre sicherlich eine interessante Kombination
Haben Sie vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.