10 Fragen, 10 Antworten: Thomas Grothkopp

In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.

  • Thomas Grothkopp, Geschäftsführer Handelsverband Büro und Schreibkultur (HBS). Abbildung: HBS
    Thomas Grothkopp, Geschäftsführer Handelsverband Büro und Schreibkultur (HBS). Abbildung: HBS

1) Wie sind Sie zur Bürowirtschaft gekommen?

Thomas Grothkopp: In den 1980er Jahren hatte ich spannende Aufgaben in einer PR-Agentur, in einem inhabergeführten Fachverlag und im Deutschen Video Institut in Berlin, Kooperationspartner der Internationalen Funkausstellung – IFA. Berührend waren meine Jahre in Berlin nach dem Mauerfall, unsere Ausbildungsreihe für angehende Unternehmer im Bereich Radio- und Fernsehhandel. Als ich mich in meinem beruflichen Umfeld nicht weiterentwickeln konnte, ergriff ich die Chance, Geschäftsführer des Bundesverbandes Bürowirtschaft in Köln samt forum bürowirtschaft mit seinen Tagungen zu werden und hatte seitdem beeindruckende Präsidenten, von denen ich viel gelernt habe: Armin Schröter, Ulf Ohlmer und jetzt Michael Ruhnau.

2) Welche Aufgaben verfolgt der Handelsverband Büro- und Schreibkultur (HBS) im Wesentlichen?

Zunächst sind wir die Interessenvertretung des Bürofachhandels B2B und B2C. Wir sind ein von Journalisten, Organisationen, Messen und Herstellern gefragter Gesprächspartner. Hinzu kommen Branchenthemen, die wir teilweise zusammen mit Industrieverbänden initiiert haben, etwa das Schreibwarenzeichen, der Ehrenkodex und der langjährige Wettbewerb „Die goldene Schultüte“. Bei der Qualifizierung steht der PBS-Fachberater mit über einhundert Absolventen im Vordergrund. Hier kooperieren wir mit dem Verband Schweizer Papeterien.

3) Wie viele Mitglieder zählt der HBS aktuell und wie kann man Mitglied werden?

Der HBS hat die acht Landesverbände des Handels sowie die Verbundgruppen Büroring, EK/servicegroup, Prisma und Soennecken als Mitglieder. Wir vertreten die Interessen der dort organisierten Händler. Diese Verbände haben die Beitragshoheit und geben über die Möglichkeiten der Mitgliedschaft Auskunft.

4) Vor Kurzem haben Sie den Geschäftsbericht 2018/19 mit den Umsatzzahlen für 2017 veröffentlicht. Die Umsatzentwicklungen sind in den einzelnen Bürobereichen unterschiedlich …

Der Schul- und Privatbedarf entwickelt sich aufgrund steigender Schülerzahlen und Bürger sowie wegen der guten Konsumneigung positiv. Gewerblicher Bürobedarf ist naturgemäß seit vielen Jahren rückläufig. Daher bietet der Streckenhandel (B2B-Geschäft) zunehmend ergänzende Sortimente an und profiliert sich als globaler Logistikpartner. Büro- und Objekteinrichter haben wegen der hohen Beschäftigungsquote einen sehr guten Lauf. Hingegen ist das Druck- und Kopiergeschäft erwartungsgemäß rückläufig. Die hiervon betroffenen Unternehmen bieten verstärkt Dienstleistungen im Bereich Archivierung und digitale Prozesse an.

5) Wie wird sich der Gesamtumsatz der Bürowirtschaft in Deutschland Ihrer Meinung nach in den nächsten fünf Jahren entwickeln?

In Summe wird der Gesamtumsatz stabil bleiben, soweit die Konjunktur nicht einbricht. Womit wir derzeit kaum rechnen. Die vorgenannten Einflussfaktoren haben auch in den kommenden fünf Jahren Gültigkeit.

6) Von wie vielen Bürofachhändlern ist in Deutschland in Bezug auf Büroeinrichtung, Bürotechnik und Bürobedarf auszugehen, wie viele von diesen gelten als qualifiziert bzw. relevant und wie wird sich ihre Anzahl aller Voraussicht nach entwickeln?

Wir gehen von 1.500 Unternehmen aus, die gezielt und qualifiziert diese Geschäftsfelder bedienen. Es gibt einerseits Konsolidierungstendenzen, andererseits aber immer wieder Start-ups, sodass sich die Zahl nicht wesentlich ändern dürfte.

7) Sowohl das papierlastige Büro als auch das Büro selbst als Arbeitsort haben heute einen schweren Stand. Ihre Prognose?

Der papiergestützte Anteil des Bürobedarfs wird kontinuierlich weiter sinken. Darauf sind unsere Mitgliedsunternehmen eingestellt. Das Büro als Arbeitsort hat dagegen eine gute Zukunft: Einerseits möchten viele Menschen nicht allein in der „Isolation“ eines Home-Offices, sondern – zumindest temporär – in Gemeinschaften arbeiten. Hier gibt es lokal, bald auch an ICE-Knotenpunkten, Coworking-Spaces, teilweise auch vom Bürofachhandel getrieben und getragen. Und dann sind da natürlich noch die Büros des eigenen Arbeit- oder Auftraggebers.

8) Was zählt für Sie zu den größten Herausforderungen für die Bürowirtschaft?

Im B2B-Handel sind es ganz klar der Fachkräftemangel und im Ausbildungsbereich die Kompetenzlücken bei Bewerbern. Hinzu kommt, dass Hersteller in fast alle Vertriebskanäle liefern und immer näher direkt an den gewerblichen Endkunden heranrücken. Das ist bei der Vielzahl der Verbrauchsprodukte ein teurer Vertriebsweg, aber er bietet den stärksten Response. Dem B2C-Handel setzt der beinharte Preiswettbewerb mit discountierenden, branchenfremden Handelskonzernen zu. Hinzu kommt der Frequenzrückgang in fast allen Einkaufslagen. Der Onlinehandel spielt aufgrund der Kleinteiligkeit und des geringen Warenwerts je Kaufvorgang noch keine relevante Rolle.

9) Und wie können die Herausforderungen gemeistert werden?

Eine Zukunft ohne Einbindung in einer Verbundgruppe sehe ich für die meisten Unternehmen nicht. Die Prozessketten müssen effizient, professionell und schnell sein, das geht nur gemeinsam. Einzelhändler werden verstärkt auch auf zentrale Leistungen in den Bereichen Marketing, Logistik und Onlinetools zurückgreifen. Im Fachgroßhandel geht es stärker noch um Einkaufsbündelung, um wettbewerbsfähige Konditionen, um den „Nachteilsausgleich“ gegenüber Handelskonzernen, weshalb es zu keinem EU-Verbot für Handelskooperationen kommen darf!

10) In wessen Begleitung würden Sie gern einmal mit dem Fahrstuhl steckenbleiben, und was würden Sie von demjenigen wissen wollen?

Mir ist dies schon zweimal passiert und ich muss sagen: Begegnungen mit interessanten Menschen habe ich lieber in einem angenehmen Umfeld. Im Aufzug geht es allein um Sozialkompetenz und Geduld.

Vielen Dank.

Die Fragen stellte Robert Nehring.