Voll auf Verkauf #13/13

Im dreizehnten Teil seiner Kolumne nennt Oliver Schumacher drei Beispiele, warum Befangenheit den Erfolg verhindern kann. Diese hängt oft mit der Angst des Verkäufers vor dem Nichtabschluss zusammen.

  • Das gewünschte Ende jedes Verkaufsgesprächs: der Vertragsabschluss. Abbildung: Pexels
    Das gewünschte Ende jedes Verkaufsgesprächs: der Vertragsabschluss. Abbildung: Pexels

Welche Auswirkungen hat es für ein Unternehmen, wenn seine Verkäufer zu nett und nachgiebig sind, vorschnell Rabatte geben oder zwar Angebote, aber keine Aufträge schreiben? Den Verkaufszahlen und -zielen kommt solches Tun jedenfalls nicht zugute. Doch wäre es zu einfach, die Verantwortung allein den Verkäufern anzulasten.

Von der Gefahr, sich selbst im Weg zu stehen

Verkäufer müssen verkaufen. Das ist ihr Beruf, ihr Arbeitsfeld. Doch immer wieder kommt es vor, dass sich Verkäufer dabei selbst im Wege stehen. Obwohl sie sich ihrer Aufgabe bewusst sind, agieren sie nicht immer zielführend für ihr Unternehmen. Aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur, eingefahrener Handlungsabläufe und intuitiver Denkmuster, verfolgen sie meist unbewusst eine für sie bequemere Variante. Unternehmer und Vertriebsverantwortliche sollten diese Gefahren für den Verkaufserfolg kennen und sich damit auseinandersetzen. Vor allem aber dürfen sie ihre Verkäufer in diesem Dilemma nicht allein lassen. Drei typische Verkäufer-Angst-Situationen sollen dazu im Folgenden näher betrachtet und Lösungswege daraus aufgezeigt werden.

Wenn Verkäufer zu lieb sind und zu hohe Rabatte geben

Einkäufer, die nicht nach einem Rabatt fragen, haben den falschen Job. Schließlich ist es ihre Aufgabe, zu möglichst günstigen Preisen einzukaufen. Doch die entscheidende Frage ist, wie schnell Verkäufer Rabatte verteilen und wie oft sie zu hohe Rabatte geben. Wird der Verkäufer nach seinem Motiv befragt, lautet die typische Antwort meist: „Ich hätte den Auftrag sonst nicht bekommen“. Oft sind es auch weitere in Aussicht gestellte Geschäfte, die zu preislichen Zugeständnissen führen oder die Grundsatzannahme: „Ja, wollen wir nun den Auftrag haben – oder nicht?“

Nicht immer sind sich Verkäufer über die betriebswirtschaftlichen Folgen einer unverhältnismäßigen Rabattierung im Klaren. Häufig fehlen ihnen schlüssige Argumente, um zu erklären, warum sie im Verhältnis zum Mitbewerber teurer sind. Auch dass sie endlich den Auftrag haben wollen (oder müssen, um ihre Planvorgabe zu erreichen) und keine weitere Zeit investieren können, ist ein wichtiger Grund, weswegen Verkäufer zu schnell und zu hohe Rabatte geben.

Doch Umsatz allein reicht nicht. Entscheidend ist, was unterm Strich übrig bleibt. Darum müssen Verkäufer über klare Strategien verfügen, um die kalkulierten Preise auch durchsetzen zu können. Verkäufer müssen stolz auf ihre (hohen) Preise sein. Stehen sie nicht dazu, ist die Gefahr groß, dass sie in der Preisverhandlung vorschnell einknicken, umso mehr, wenn sie auf den Auftrag angewiesen sind. Vergütungsmodelle rein nach Umsatz statt Deckungsbeitrag unterstützen die „Rabattitis“. Stehen hingegen Verkäufer zu ihren Preisen – und sind von diesen selbst überzeugt, dann lassen sich Preisverhandlungen deutlich sicherer gestalten.

Was bedeutet das für den Verkäufer und sein Team?

  • Es muss sichergestellt sein, dass alle Mitarbeiter mit Kundenkontakt souveräne und wertschätzende Antworten haben, wenn Kunden Preise hinterfragen.
  • Mit den Mitarbeitern Strategien besprechen, wie mit Rabattforderungen auf Augenhöhe umgegangen werden kann.
  • Überprüfen, ob neue Kundengruppen zu erschließen sind, die eine höhere Preisbereitschaft haben.

Wenn Verkäufer lieber Angebote statt Aufträge schreiben

Zeit ist das wertvollste, was Verkäufer haben. Entsprechend müssen sie diese möglichst mit umsatz- bzw. gewinnbringenden Aktivitäten füllen. Schriftliche Angebote zu erstellen gehört ganz sicher dazu. Aber Vorsicht: Nicht jedes Angebot führt zu einem Auftrag. Das ist nachvollziehbar. Deshalb sollte vor jeder Angebotserstellung abgeschätzt werden, ob überhaupt Aussicht darauf besteht, dass sich der Aufwand auch lohnt.

Gründe, den Wunsch nach einem schriftlichen Angebot zu erfüllen, gibt es viele. Oft will der Verkäufer einfach präsent sein, auch wenn eine Anfrage noch nicht präzise formuliert ist. Was soll denn der Anfragende denken, wenn wir kein Angebot schicken? Solche und ähnliche Überlegungen führen zu vorschnellen schriftlichen Angeboten, die erst beim Nachfassen zu verwertbaren Erkenntnissen führen. Oft will der Kunde nicht mehr kaufen, weil er in einer anderen Preiskategorie angesiedelt ist, oder eine Investition ist überhaupt noch nicht spruchreif. Häufig deckt sich die Erstanfrage auch nicht mit dem tatsächlichen Bedarf bzw. der angestrebten Lösung.

Doppelte Arbeit vermeiden

Um solche Doppelarbeit zu vermeiden und im Zweifelsfall den Wunsch nach einem schriftlichen Angebot auch wertschätzend ablehnen zu können, müssen Verkäufer bei Anfragen möglichst früh herausfinden, was gegen eine Zusammenarbeit sprechen könnte. Soll andererseits aus einem Angebot ein Auftrag werden, dürfen Verkäufer nicht einfach nach dem Motto „Wenn der Kunde das so will, dann biete ich ihm das auch so an!“ verfahren. Vielmehr müssen sie mit dem Kunden gemeinsam herausfinden, was dieser will und braucht. Dies kann zu einer kleineren oder auch größeren Lösung als ursprünglich gedacht führen.

Mögliche kritische Punkte aus Sicht des Verkäufers sollte dieser offen ansprechen, beispielsweise den Preisrahmen oder die voraussichtliche Lieferzeit schon im Erstgespräch nennen. Denn liegen die Anforderungen des Kunden und die Möglichkeiten des Verkäufers zu weit auseinander, kann meistens auch ein schriftliches Angebot diese Lücke nicht mehr schließen.

Was bedeutet das für den Verkäufer und sein Team?

  • Statistik ist wichtig: Wie viele Angebote sind nötig, bis es zu einem Auftrag kommt? Was sind die Gründe, weswegen es nicht zu einem Auftrag gekommen ist?
  • Die Überlegung, wie sich Ihr Unternehmen von Anfang des Angebotsprozesses an besser inszenieren und dem Kunden das Gefühl vermitteln kann: „Wenn ich hier nicht kaufe, begehe ich einen Fehler!“
  • Es muss sicher gestellt werden, dass Angebote professionell nachgefasst werden. Wer Angebote nicht nachfasst, muss sich die Frage gefallen lassen, warum dann überhaupt ein Angebot geschrieben wurde, wenn der Auftrag offensichtlich egal ist.

Wenn Verkäufer für Mitbewerber arbeiten

Häufig wird von Verkäufern das Thema systematische Neukundengewinnung vernachlässigt. Dafür gibt es unterschiedliche Gründe. Gar nicht so selten haben selbst langjährige Verkäufer Angst vor der Ansprache fremder Menschen und können mit einer Ablehnung nicht gut umgehen. Andere wieder befürchten, dass gleich beim Erstkontakt ein zu niedriger Preis erwartet wird und dann die Argumente fehlen.

Anbieter dürfen aber nicht vergessen, dass es keine sicheren Kunden gibt. Es kann von heute auf morgen passieren, dass ein wichtiger Kunde wegbricht. Dabei muss noch nicht einmal der Verkäufer etwas falsch gemacht haben. Ein Kunde wird von einem anderen Unternehmen aufgekauft, geht in die Insolvenz oder der Einkäufer wechselt und will mit neuen Lieferanten arbeiten. Betreiben Verkäufer erst dann Neukundenakquise, wenn sie wirklich Umsatz brauchen, stehen sie unter Druck. Verkäufer, die auf Aufträge angewiesen sind, wirken auf ihren Verhandlungspartner nicht attraktiv. Wer sich hingegen regelmäßig bei potentiellen Kunden ins Gespräch bringt, seine entscheidenden Mehrwerte kennt und kommuniziert, wird automatisch über kurz oder lang neue Kunden gewinnen. Denn wer auf neue Kunden nicht krampfhaft angewiesen ist, tritt souveräner auf und steigert so seine Attraktivität.

Was bedeutet das für den Verkäufer und sein Team?

  • Verkäufer brauchen genügend Zeit für die Neukundengewinnung. Gleichzeitig muss aber der regelmäßige Nachweis ihrer Aktivitäten eingefordert werden.
  • Wunschkunden sollten gemeinsam identifiziert und Strategien zur Neukundengewinnung gemeinsam mit den Mitarbeitern besprochen werden.
  • Kundenbindungsmaßnahmen für die besten Kunden entwickeln – denn die besten Kunden sind die Wunschkunden der Mitbewerber.

Wertschätzung macht stark …

… und bringt Umsatz. Verkäufer können nur so gut sein, wie das Unternehmen und die Verantwortlichen, die dahinterstehen. Der Erfolg des Verkäufers beruht nicht zuletzt darauf, dass er in seiner Person das Bindeglied zwischen zwei Geschäftsbetrieben bildet. Wie jeder Mensch, verfügt er über Stärken und Schwächen. Werden letztere von seinem Unternehmen nicht nur wahrgenommen, sondern durch entsprechende Unterstützung und durch gute Strategien positiv beeinflusst, kann daraus eine langfristig gewinnbringende Konstellation erwachsen. Für den Verkäufer, für den Unternehmer und nicht zuletzt auch für den Kunden. Denn Gemeinsamkeit macht stark.

Abbildung: Oliver Schumacher

Oliver Schumacher,

Verkaufstrainer, Redner, Autor.

oliver-schumacher.de