Verkaufsgespräche: Fehler in Verhandlungen

Sie befinden sich in einer wichtigen Verkaufsverhandlung und plötzlich geht nichts mehr. Die Gespräche stocken. Sie scheinen einen „Point of no Return“ im Verhandlungsprozess erreicht zu haben. Die Verkaufs- und Vertriebspsychologin Ulrike Knauer erklärt, wie sich solche Situation vermeiden lassen.

Gewisse Fehler in Verhandlungen zu vermeiden, erhöht die Chancen eines positiven Ergebnisses erheblich. Abbildung: Dylan Gillis, Unsplash
Gewisse Fehler in Verhandlungen zu vermeiden, erhöht die Chancen eines positiven Ergebnisses erheblich. Abbildung: Dylan Gillis, Unsplash

Alle Versuche, die Verhandlung wieder in Fluss und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen, scheitern. Eine Einigung scheint unmöglich. Sie erkennen und spüren: Heute haben Sie verloren. Im Moment bleibt Ihnen und Ihrem Team nur der Rückzug. Diese traurige Tatsache ist für den Moment zu akzeptieren. Was aber können Sie tun, um dieses unerfreuliche Szenario für Ihre nächsten Verhandlungen zu vermeiden? Im ersten Schritt können Sie auf jeden Fall eines tun. Sich nämlich zu fragen und zu analysieren, ob Sie etwa einem dieser kapitalen Verhandlungsirrtümer aufgesessen sind?

Verhandlungsirrtum #1: Win-win ist das oberste Ziel

Win-win als Verhandlungsziel ist eine Utopie, auch wenn sich viele Verhandlungsromantiker gern daran klammern. Win-win kann nur funktionieren, wenn das Interesse zu gewinnen auf einer Seite wesentlich niedriger ist als bei der anderen. Dann ist die Priorität, gewinnen zu müssen, nicht sehr hoch – und es wird schnell nachgegeben. Sobald beide Parteien das gleich hohe Interesse haben zu gewinnen, ist es eine Frage der Machtposition, wer wirklich gewinnt. Und das führt häufig zu einem einmaligen Gewinn und keiner dauerhaften Kooperation. Weil jemand, der sich wie ein „Verlierer“ fühlt, alles daransetzen wird, sein Gesicht zu wahren und bald möglichst die Kampfarena wieder eröffnen.

Es geht also neben den reinen Verhandlungstaktiken hier auch um das Thema Macht. Sobald unterschiedliche Interessen im Spiel sind, mutiert jede Verhandlung automatisch zu einer Art Machtkampf. Zumindest aber zu einem Konflikt, wenn das Interesse zu gewinnen, ähnlich hoch ist.

Die Quintessenz eines Konflikts ist nun einmal eine unterschiedliche Interessenslage, wobei jede Partei natürlich davon überzeugt ist, dass nur die eigenen Interessen die richtigen Interessen sind. Daraus folgt: Die andere Partei hat die falschen Interessen! Wenn Sie den Konflikt hier – auch und besonders in Ihrem Kopf – im Keim ersticken wollen, lassen Sie Bewertungen, was richtig und falsch ist, strikt sein.

Echte Wahrheit können Sie sowieso nicht finden. Denn: Jede Partei glaubt im Recht zu sein und dieses Recht wird als Wahrheit kommuniziert. Fragen Sie sich lieber: Wieso hat Ihr Gegenüber die Gewissheit, dass sein Standpunkt berechtigt ist? Die Grenzen dieser Gewissheit herauszufinden, ist nun Ihre Aufgabe. Stellen Sie also Fragen und lassen Sie sich „die Denkwelt des Gegenübers“ wirklich zeigen, ohne irgendeine Manipulation oder Bewertung, sondern um neutral zu verstehen, wie die andere Seite denkt.

Zwingen Sie ihr Gegenüber dabei nicht, sich mit Antworten festzulegen – also eine fixe Position einzunehmen. Es kann sonst ohne Gesichtsverlust nicht mehr abweichen. Hier empfiehlt es sich, offene Fragen im Konjunktiv zu stellen, stets nachzufragen und selbst im Konjunktiv zu antworten. Hören Sie Widersprüche, dann notieren Sie diese. Die so gewonnenen Infos können Ihnen später nützlich sein! Und bitte keine Gewissensbisse ob dieser Taktik – nachdem Sie für sich verinnerlicht haben, dass Win-win sowieso nicht funktioniert (Harvard-Konzept) dürfen und müssen Sie so vorgehen! Mit Ethik und Wertschätzung für die Person, die vor Ihnen sitzt, aber dennoch hart in der Sache! Sie wollen Ihre Interessen durchsetzen.

Verhandlungsirrtum #2: Rationales Verhandeln

Vergessen Sie das. Verabschieden Sie sich von rein rationalem Verhandeln. Klar, Sie müssen alle Zahlen, Daten und Fakten zu den verhandelnden Produkten und Abläufen parat haben. Aber Verhandeln bedeutet in erster Linie zu handeln! Strategisch auf der emotionalen Ebene, pro-aktiv, eventuell auch einmal reaktiv, als Konter auf das von Ihrem Gegenüber Erwähnte. Kurz gesagt, es geht um das Verhandlungskarussell „anbieten“, „Forderungen erhöhen“, „Forderungen zurücknehmen“, „sich strategisch zurückzuziehen“, „auch einmal laut werden“, „scheinbar abbrechen“. Das ist ja wie auf dem Basar, wie unseriös, werden Sie jetzt vielleicht denken. Nein, es ist nicht unseriös. In weiten Teilen der Welt wird ständig so verhandelt. Es ist für Sie im ersten Ansatz nur gewöhnungsbedürftig.

Um hier zu punkten, müssen Sie im Vorfeld allerdings einige Dinge beachten. Setzen Sie sich ein Ziel, was Ihr minimales und Ihr maximales Ergebnis sein darf oder soll. Nur für sich selbst, Sie kommunizieren Ihr Ziel nie vor der Verhandlung – an NIEMANDEN! Sie sollten immer damit rechnen, dass irgendjemand Ihre Ziele ausplaudert.

Erstellen Sie eine Liste Ihrer Forderungen – die auch absolut utopisch sein dürfen – und kategorisieren sie diese nach „wichtig“, „wäre schön zu erreichen“ und „unwichtig“. Damit können Sie später in der Verhandlung spielen – und zwar auf der emotionalen Ebene, indem Sie utopische Forderungen stellen und sich dafür ein klares „Nein“ abholen. Denn nach spätestens drei „Nein“ Ihres Gegenübers bekommt dieses das Gefühl, auch einmal „Ja“ sagen zu müssen – und genau hier stellen Sie dann die Forderung, die ein absolutes MUSS für Sie ist. Nutzen Sie den Faktor Zeit als taktisches Mittel – wann lassen Sie wen warten und wie können Sie durch kurze Zeitlimits Ihr Gegenüber unter Stress setzen und damit zu unbedachten Äußerungen oder Handeln bewegen.

Überlegen Sie sich im Vorfeld, wie lange Sie oben genanntes Karussell drehen lassen wollen. Achtung: Wenn Sie diese drei Punkte nicht genau im Auge behalten, verlieren Sie den Überblick und verhaken sich zeitlich wie inhaltlich in Ihrem Basarszenario.

Verhandlungsirrtum #3: Wir sind perfekt vorbereitet

Dies ist einer der kapitalsten Fehler. Meist sind Unternehmen und ihre Verhandlungstruppen denkbar schlecht auf eine mögliche Eskalation des Verhandlungsmarathons vorbereitet.

Ganz wichtig ist es, im Vorfeld die Rollen der einzelnen Personen im Verhandlungsteam zu bestimmen. Jeder muss vor dem Betreten der Verhandlungsräumlichkeiten wissen, was wann wie in welchem Ausmaß von wem im Falle einer Eskalation zu tun ist. Sehr oft sitzt der Entscheider mit im Verhandlungsteam, ist aber nicht der Verhandlungsführer. Besser wäre es, der Entscheider bleibt dem Verhandlungstisch fern.

Denn bei einem Eingriff des Entscheiders degradiert er damit den Verhandlungsführer zum Handlanger und macht sich selbst zum Leader der Verhandlung. Dadurch hat er plötzlich zwei Hüte auf und begibt sich voll in die Verhandlungsemotion. Er kann dadurch nicht mehr an die jetzt zu fahrende Strategie denken und läuft Gefahr, hier sehr viel mehr Konzessionen zu machen als der ursprüngliche Verhandlungsführer. Der Entscheider am Verhandlungstisch bringt immer bessere Ergebnisse für die andere Seite.

Deswegen gilt: Im Vorfeld der Verhandlung ein genaues Ausstiegsszenario festzulegen, das für alle im Verhandlungsteam bindend ist, das der Gegenseite aber natürlich nicht kommuniziert wird. Dies ist extrem wichtig! Im Stress und in der Emotion der Verhandlung kann niemand die richtige faktische Entscheidung treffen! Ideal ist also, dass der Entscheider gar nicht am Tisch sitzt – er sollte am besten zur Verhandlung gar nicht anreisen.

Somit ist es möglich, beim Erreichen des Point of no Return diese Verhandlungsrunde jederzeit taktisch abzubrechen, unter dem Vorwand, dass erst intern entschieden werden muss. Legen Sie Ihren Point of no Return, also den Punkt, an dem Sie die Verhandlung abbrechen, vor der Verhandlung fest.

Nun können Sie zusammen mit dem Entscheider in Ruhe die weitere Taktik aufstellen. Nachdem der Point of no Return in dieser Verhandlung klar festgelegt wurde, weiß jeder im Team, wann es so weit ist und kann entsprechend reagieren. Wenn Sie so vorgehen, unterbinden Sie Panik sowie notwendige emotionale Befindlichkeiten innerhalb Ihres Teams und Sie verhindern vor allem falsche und zu rasche Zugeständnisse.

Ulrike_Knauer_Protraet_WebUlrike Knauer,

Verkaufs- & Vertriebspsychologie.

ulrikeknauer.com