Ist Social Selling über LinkedIn nur ein Hype oder lässt sich über die Plattform wirklich ein zusätzlicher Vertriebskanal aufbauen? Darüber hat die Social-Selling-Expertin Simone Brett-Murati mit Michael Gerstenberg gesprochen, Bereichsleiter Vertrieb, Seilwinden Friedrich Köster GmbH & Co. KG.
Simone Brett-Murati: Was hat Sie vor unserer Zusammenarbeit davon abgehalten, LinkedIn zu nutzen? Welche Zweifel oder Vorbehalte gab es und warum?
Michael Gerstenberg: Mein Profil auf LinkedIn habe ich bereits vor einigen Jahren angelegt, um mich mit potenziellen Kollegen zu vernetzen. Es war in meiner Wahrnehmung eher eine Jobbörse und kein Medium, um Akquise zu betreiben und Geschäfte zu generieren. Mit der zunehmenden Seriosität von LinkedIn ist es mir in den Sinn gekommen, den Kanal als zusätzliches Akquise-Tool zu nutzen. Direkte Zweifel hatte ich aber nie.
Was war der Anlass, Social Selling über LinkedIn ernsthaft als zusätzliches Vertriebstool in Erwägung zu ziehen?
Pandemiebedingt ist seit über einem Jahr kein normaler Außendienst möglich. Dennoch muss ich im Rahmen von Zielvereinbarungen Neugeschäft gewinnen. Früher gab es die Gelben Seiten, doch ich akquiriere weit über regionale Grenzen hinaus. Ich habe mich gefragt, wie ich komplett neue Kunden erreiche – da habe ich angefangen, mich mit LinkedIn zu beschäftigen.
Welchen Stellenwert hat LinkedIn bei Ihnen künftig als Vertriebstool neben anderen?
LinkedIn ist nicht das einzige Tool, das Köster im Vertrieb nutzt, aber der Stellenwert steigt, weil es jetzt täglich zum Einsatz kommt. Es erleichtert gerade die ersten Schritte beim Suchen und Finden von richtigen Kontaktpersonen und um da den Fuß in die Tür zu bekommen. LinkedIn ist eine klassische Netzwerk-Plattform und wenn es gut läuft, verkaufe ich am Ende mein Produkt. Diese Entwicklung ist frisch und nicht mehr aufzuhalten. Das sehe ich auch im Betrieb. Die Gespräche mit den Kollegen zeigen, dass sie Lust haben, LinkedIn auszuprobieren und es nutzen wollen.
Welche Vorteile hat LinkedIn im Vergleich zu anderen Vertriebsmaßnahmen?
Der wichtigste Vorteil ist ganz klar die Response, die ich bekomme. Mit LinkedIn komme ich einfach weiter. Mit Kaltakquise an der Telefonzentrale vorbei und eine E-Mail-Adresse zu bekommen, ist wie ein Sechser im Lotto. Auf LinkedIn bekomme ich insgesamt mehr Reaktionen und schnellere Antworten. Die Kommunikation funktioniert auf direktem Weg. Hinzu kommt, ich kann standortunabhängig Vertrieb machen. LinkedIn macht mich flexibel, weil es auch vom Smartphone aus geht. So spare ich Zeit.
Was sind die wichtigsten Fähigkeiten, die Sie aus dem Social-Selling-Training mitgenommen haben, und wie kommen die jetzt zum Einsatz?
Neben den operativen Skills hat für mich das Thema Personal Branding an Bedeutung gewonnen. Sich selbst zu reflektieren und die Eigendarstellung im Zusammenhang mit dem Arbeitgeber sind zwei ganz wichtige Bestandteile im Vertrieb.
LinkedIn fördert das Zustandekommen persönlicher Gespräche. Das fängt bereits mit dem Foto an. Um beim Gegenüber etwas zu bewirken, ist es wichtig, sich zu überlegen, was du eigentlich sagen willst und was du ihm bietest, damit er sich mit dir austauscht. Wenn man hochpreisige, wertvolle Produkte verkauft, ist ein stimmiges Bild zwischen Unternehmen und Ansprechpartner umso wichtiger. Ist das eigene Profil vernünftig erstellt, gewinnt die Ansprache für den Kunden an Vertrauen und Seriosität.
Was raten Sie Unternehmen, die darüber nachdenken, LinkedIn im B2B-Vertrieb einzusetzen?
Das Wichtigste ist, sich damit auseinanderzusetzen, unabhängig davon, aus welcher Abteilung der Impuls kommt. Die Grundeinstellung sollte sein, dass ein Business-Portal wie LinkedIn auch während der Arbeitszeit geöffnet werden kann – LinkedIn ist keine Kontaktbörse.
Unternehmen sollten ihren Mitarbeitern Schulungen anbieten und Freiheiten bei der Nutzung einräumen. Gut ist, zwei bis drei Kollegen zu haben, die sich intensiv damit beschäftigen und ihre Erfahrungen dann intern weitergeben. Wer LinkedIn aktiv nutzt, erkennt sehr schnell die Vielseitigkeit für Wettbewerbsanalysen oder zur Weiterbildung. Für uns als Firma ist LinkedIn ein Hilfsmittel im Vertrieb geworden, so wie ein digitales Fahrtenbuch oder ein ERP-System. Auch Vertriebsmethoden wie Telefonakquise können zum Erfolg führen. Oft frage ich mich, soll ich den Bereichsleiter anrufen oder über LinkedIn kontaktieren? Beides geht nebeneinander her. Im Vertrieb habe ich mit verschiedenen Menschen zu tun, und manche erreicht man schlichtweg nicht digital.
Bevor die Entscheidung getroffen wird, LinkedIn im Vertrieb zu nutzen, sollte man es eine Zeit lang ausprobieren. Es wird ganz klar eine wichtige Ressource und ein zusätzlicher Kanal für die Zukunft, und da muss man auf jeden Fall mitmachen.
Was haben Sie bisher durch Ihre Social-Selling-Aktivitäten auf LinkedIn erreicht, was Sie anders nicht erreicht hätten?
Bei einigen Angeboten, die ich geschrieben habe, bin ich mir nicht sicher, ob sich diese Kontakte in einer Zeit ohne Messen und Außendienstbesuche auch ohne LinkedIn ergeben hätten. Aus Chats wurden offizielle Angebote per E-Mail, manchmal auch in einem Zeitraum von ein bis zwei Wochen. Ich selbst habe auch Anfragen bekommen, aber noch kein klassisches Inbound. Das wäre das Ziel.
Eigenen Content zu erstellen und zu posten fällt vielen schwer. Wie schaffen Sie es, Posts mit einer persönlichen Message zu entwickeln?
Eigenen Content zu erstellen ist auch meine nächste Aufgabe und von allen die größte Herausforderung. Aufgrund des Trainings und der Auseinandersetzung mit dem Thema hat sich die Scheu davor deutlich reduziert. Das Gute ist, dass wir jetzt den Content abteilungsübergreifend planen. Allein im nächsten halben Jahr werden wir drei größere Storys haben. Das ist auch vielseitiger für unsere Kunden, da wir so unsere ganze Bandbreite und nicht nur einen Produktbereich zeigen können.
Was würden Sie jemandem sagen, der darüber nachdenkt, das Social-Selling-Training bei den Eskimos mit Kühlschränken zu machen?
Wenn man sich dafür entscheidet, im B2B-Vertrieb auf LinkedIn zu setzen, ist eine Schulung ein Muss. Ohne das Training wäre ich noch nicht so weit, wie ich es jetzt bin. Der Austausch auf Augenhöhe in den Sessions hat mir die Sicherheit gegeben, wichtige Entscheidungen zu treffen, hinsichtlich meiner Zielgruppen und meines Profils auf LinkedIn. Aber es ist kein Sich-berieseln-lassen. Die Hausaufgaben neben dem Tagesgeschäft umzusetzen, ist nicht immer einfach. Man muss sich aktiv damit beschäftigen, bekommt aber professionelle Unterstützung.
Vielen Dank.
Simone Brett-Murati,
Expertin für Vertriebsmarketing, Gründerin der Agentur Eskimos mit Kühlschränken. |