Nachhaltige Beschaffung sollte in jedem Unternehmen die Regel sein. Denn die Vorteile eines solchen Beschaffungsmodells überwiegen, findet Dr. Alexandra Hildebrandt. Die Publizistin erklärt, wie nachhaltige Beschaffung umgesetzt werden kann.
Richtige Beschaffungsentscheidungen von Produkten und Dienstleistungen sind nicht nur relevant für die Qualität der Arbeit und für die Wirtschaftlichkeit von Unternehmen – sie haben auch Einfluss auf den Ressourcenverbrauch, die Umweltbelastungen und die sozialen Auswirkungen, die durch Produktion, Transport, Gebrauch und Entsorgung der Produkte entstehen. Bei jeder Beschaffungsentscheidung sollte deshalb geprüft werden, ob die Anschaffung vermeidbar ist. Sozial und ökologisch verträgliche, öffentliche Beschaffungspraktiken zu etablieren, ist auch als Ziel in der Agenda 2030 der UN verankert.
Vorteile nachhaltiger Beschaffung
Die Entscheidung für nachhaltige Produkte kostet gegebenenfalls mehr, jedoch wird der Kostennachteil durch einen Umwelt- oder Sozialvorteil wieder ausgeglichen. Umweltfreundliche Produkte schonen natürliche Ressourcen, Umwelt und Klima. Nach Angaben des Umweltbundesamtes ist das Treibhauspotential für das Drucken von 1.000 Seiten bei einem Multifunktionsgerät mit dem Umweltzeichen Blauer Engel etwa um die Hälfte geringer als bei einem konventionellen Gerät. Geht man davon aus, dass ein Multifunktionsgerät etwa 50.000 Seiten pro Jahr druckt und eine Lebensdauer von fünf Jahren hat, spart ein Gerät mit dem Blauen Engel (im Vergleich zu einem konventionellen Gerät) circa 1.150 Kilogramm Kohlendioxid-Äquivalente.
Umweltfreundliche Beschaffung hilft auch der Markteinführung umweltschonender Produkte. Oft sind es neuartige Produkte, die einen wichtigen Beitrag zur ökologischen Modernisierung der Wirtschaft leisten und zukunftsfähige Märkte und Arbeitsplätze schaffen. Zu einer Vielzahl von Produkten gibt es geeignete Ausschreibungsempfehlungen, die ohne großen Aufwand in eigene Vergabeunterlagen übernommen werden können. Für den ökologischen Einkauf stellt beispielsweise das Umweltbundesamt Leistungskataloge zur Verfügung, die in der Regel auf Grundlage der Anforderungen des Umweltzeichens Blauer Engel entwickelt wurden.
Mit folgenden Produktgruppen kann der umweltfreundliche Einkauf sofort beginnen:
- Recyclingpapier
- Bürogeräte
- Cafeteriabedarf und Küchengeräte
- Reinigungsmittel
- Fahrzeuge
- Ökostrom.
Herausforderungen nachhaltiger Beschaffung
Je größer und bürokratischer die Organisation, desto schwieriger ist häufig die Umsetzung. So sind die Vorgaben für die öffentliche Beschaffung in Kommunen oft zu kompliziert und unverständlich: Mittlerweile gibt es zahlreiche Leitfäden zur nachhaltigen öffentlichen Beschaffung – diese sind jedoch meist so unverständlich verfasst, dass es für den Einkäufer fast unmöglich ist, diesen Dschungel zu lichten. Wenn es dann doch einmal so weit kommt, dass Produkte ausgesucht werden, scheitert es oft an der Kalkulation. Durch enge und unzureichende Budgets entscheidet dann eben doch der Preis – die Umwelt und der Mensch treten in den Hintergrund.
Hinzu kommt, dass Einkäufer, die nachhaltig beschaffen möchten, häufig mit der Vielzahl von Standards und Labels überfordert sind. Bei der Auswahl hilft beispielsweise die Plattform Kompass Nachhaltigkeit. Das Umweltbundesamt fördert die Umsetzung zum Beispiel mit der Bereitstellung von produktspezifischen Arbeitshilfen für öffentliche Auftraggeber. Vergaberechtliche Informationen und Schulungsskripte sind weitere Angebote, die das Amt auf seinem Themenportal bereithält.
Grundlagen eines ökosozialen Beschaffungsmanagements:
- Beschaffungsordnung
- Beschaffungsorganisation
- Produktbewertungen und Informationen
- Lieferantenbefragungen und -bewertungen.
Nachhaltigkeitsaspekte können bereits mit der Festlegung des Beschaffungsgegenstandes in den Beschaffungsvorgang eingebracht werden. Bei den Beschaffungskriterien kann außerdem zwischen Mindestkriterien und Bewertungskriterien unterschieden werden. Mindestkriterien sind verpflichtend und führen zum Ausschluss des Angebots, wenn sie nicht eingehalten werden. Damit der Anbieter seine Leistung entsprechend den Wünschen des Auftraggebers optimieren kann, muss die Gewichtung der verschiedenen Kriterien bei der Ausschreibung transparent gemacht werden.
Regelungen des Vergaberechts
Das Vergaberecht regelt nicht, was beschafft werden soll, sondern wie es zu beschaffen ist. Bei der Definition des Beschaffungsgegenstandes haben öffentliche Auftraggeber den größten Spielraum, ihre Vorstellung vom Auftragsgegenstand und den Anforderungen an seine Nachhaltigkeit festzulegen. Schon mit der Bezeichnung des Ausschreibungsgegenstandes können sie auf Nachhaltigkeitsgesichtspunkte Bezug nehmen und ihre Bieter auf die Bedeutung dieser Eigenschaften für die Ausschreibung hinweisen.
Darauf sollte geachtet werden:
- Bereits im Vorfeld einer Beschaffung sollte analysiert werden, ob die jeweilige Ware oder Dienstleistung benötigt wird (Bedarfsanalyse).
- Bei der Auswahl des Auftragsgegenstands hat der Auftraggeber die Möglichkeit, von Anfang an eine umweltfreundliche Alternative zu wählen.
- In die Leistungsbeschreibung können Umweltanforderungen als technische Spezifikationen einfließen.
- Die Lieferanten sollten einen Code of Conduct unterzeichnen, der ethische und moralische Kriterien beinhaltet sowie die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards fordert. Dies sollte bei Durchführung der Lieferantenaudits überprüft werden.
- Die von mehreren Lieferanten angebotenen Produkte sollten vorzugsweise von Lieferanten mit positiver Sozialauditierung bezogen werden.
- Die Sozialauditierung sollte Bestandteil der Kaufverträge des Unternehmens mit den Lieferanten sein.
- Die Schulung und Qualifizierung der Lieferanten sollte in Zusammenarbeit mit den CSR-Ansprechpartnern im jeweiligen Land sichergestellt werden.
- Die Dokumentation und Kontrolle der CSR-Arbeit in den Regionen sollte sichergestellt sein.
- In Ergänzung zu diesem Auswahlprozess sollten auch die Einkäufer verpflichtet werden, Lieferanten mit positiver Sozialauditierung den Vorzug zu geben.
- Internationale Mitgliedschaften, Verbandsarbeit und Multistakeholder-Dialoge sollten wahrgenommen werden.
Die Bedeutung des Büros bei nachhaltiger Beschaffung
Verantwortungsvolles Wirtschaften im Büro zeichnet sich neben einem schonenden Umgang mit Ressourcen hauptsächlich durch eine nachhaltige Büroartikelbeschaffung aus. Ein verantwortungsbewusster Einkauf bedeutet auch, die Umwelt-, Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen der eigenen Mitarbeiter in den Fokus zu stellen. So sollten zum Beispiel Kleber und Tinten garantiert ohne Lösungsmittel sein oder die Bürogeräte wie Kopierer und Drucker nur im Falle einer garantiert geringen Innenraumluftbelastung und Geräuschemission direkt neben den Büroarbeitsplätzen zum Einsatz kommen. Für einen nachhaltigen Einkauf sollten Bürogeräte auch eine lange Lebensdauer versprechen. Hinweise darauf geben Eigenschaften wie Auf- und Nachrüstbarkeit, recyclinggerechte Konstruktion oder eine längere Mindestgarantie.
Literatur:
Alexandra Hildebrandt und Claudia Silber: „Nachhaltige Beschaffung: Grundlagen – Management – Praxisbeispiele“, Amazon Media EU S.à r.l.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Publizistin, Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin. Twitter: @AHildebrandt70 Abbildung: Steffi Henn |