Light + Building: Doppelinterview

Anfang Juli hat Maria Hasselman den Staffelstab der Light + Building an Johannes Möller übergeben. Die ehemalige Leiterin und der neue Chef der Weltleitmesse haben zahlreiche Fragen beantwortet, unter anderem über die Entstehung der Veranstaltung, digitale Messen und zukünftige Kommunikationskanäle.

Die ehemalige Leiterin der Light + Building, Maria Hasselmann, und der neue Chef der Weltleitmesse, Johannes Möller. Abbildung: Messe Frankfurt Exhibition GmbH/Pietro Sutera
Die ehemalige Leiterin der Light + Building, Maria Hasselmann, und der neue Chef der Weltleitmesse, Johannes Möller. Abbildung: Messe Frankfurt Exhibition GmbH/Pietro Sutera

OFFICE DEALZZ: Frau Hasselmann, als sich ZVEI und ZVEH im Jahr 1999 dazu entschlossen haben, eine Veranstaltung in Frankfurt am Main zu unterstützen, wurde die Light + Building geboren. Sie haben die Ereignisse von Anfang an begleitet. Wie fühlt sich die Entstehung einer Weltleitmesse an?

Maria Hasselman (MH): Ich war damals Verkaufsreferentin und durfte aus der ersten Reihe mitverfolgen, wie die Light + Building entstanden ist – Produktgruppen, Sonderschauen, Top-Themen. Es war auch im übertragenen Sinne elektrisierend.

Was hat Sie seinerzeit am stärksten beeindruckt?

MH: Eigentlich zwei Dinge: Zum einen fand und finde ich den Mut der Industrie, mit der Light + Building eine internationale Branchenplattform aufzubauen und konsequent zu unterstützen, bewundernswert bis visionär. Zum anderen freue ich mich, dass die Besucher das Konzept so gut annehmen. Der Hunger nach Neuigkeiten auf Seiten des Handwerks, der Planer, der Architekten und natürlich des Handels ist ungebremst – in Zeiten von Corona womöglich sogar noch stärker.

Können Sie ein Beispiel für ein Produkt nennen, das die Besucher in 20 Jahren Light + Building am offensichtlichsten zum Staunen gebracht hat?

MH: Ein spezifisches Produkt aus einem so gewaltigen Angebot herauszupicken fällt mir schwer. In jedem Fall aber hat die LED-Technik für einige offene Münder gesorgt. Die lichtemittierenden Dioden gab es zwar schon in den Sechzigern, aber erst im neuen Jahrtausend wurden sie so weiterentwickelt, dass sie zum adäquaten Ersatz für Leuchtmittel im Alltagsgebrauch wurden. Das Glühlampen- und später Halogenverbot hat sicher entscheidend dazu beigetragen.

Was hat LEDs gegenüber herkömmlicher Beleuchtung so interessant gemacht – der geringe Stromverbrauch?

MH: Ja, sicher auch der. Es kommt sehr auf die Perspektive an. Aus Sicht von Architekten und Designern beispielsweise, ließen sich mit der LED auf einmal völlig neue Lichtinstallationen verwirklichen. An super-flache Einbautiefen oder besonders filigrane Objekte war vorher nur sehr begrenzt zu denken. Gleichzeitig steht die Light + Building von Anfang an für Energieeinsparung im Gebäude. Das Thema steht bis heute ganz oben auf der Agenda und wird uns sicher noch einige Jahre erhalten bleiben. Denn durch weitere Optimierungen bestehender Technik und natürlich die Entwicklung neuer Technik lassen sich bislang ungeahnte energetische Potenziale heben. Die immer stärker voranschreitende Digitalisierung nimmt dabei eine Schlüsselrolle ein. Warum? Weil sie es den unterschiedlichen Gewerken immer einfacher erlaubt, ihre Techniken miteinander zu vernetzen. Wir erleben hier starke Synergieeffekte.

Die Light + Building steht von Anfang an für Licht genauso wie für Gebäudetechnik. Über die LED haben wir gesprochen. Was hat Sie auf TGA-Seite begeistern können?

MH: Eine ganze Reihe von Produkten und Anwendungen. Spontan denke ich aber an Smart-Home-Anwendungen. Das war ein Novum. Und natürlich war auch auf der TGA-Seite die Energieeinsparverordnung und die daraus resultierenden Gesetze ein deutlicher Branchentreiber. Die Ereignisse in Fukushima und die Entscheidung der Bundesregierung, aus der Atomenergie auszusteigen, haben weitere zentrale Impulse gesetzt. Maßgeblich waren aber der wachsende Bedarf nach regenerativen Energien und die damit verbundene Dezentralisierung der Energieversorgung. Ab 2012 haben wir deshalb alle zwei Jahre eine neue Sonderschau zum Thema auf der Light + Building auf die Beine gestellt: 2012 – „Gebäude als Kraftwerk im Smart Grid“, 2014 – „Smart Powerd Building“, 2016 – „Digital Building; Vernetzung der Gewerke und IP Standards“, 2018 – „Secure; Integration von Sicherheitstechnischen Applikationen mit den anderen Gewerken“. Heute spielt die Ladeinfrastruktur im und am Gebäude eine zukunftsweisende Rolle beim Ausbau und der Skalierung der Elektromobiliät.

Welche Technologien waren außerdem Treiber – auch in den Jahren danach?

MH: Im Grunde war die Digitalisierung des Gebäudes die Treiberin. Von ihr ging fast jede andere Innovation aus. Man muss sich das einmal vorstellen: Auf einmal konnte man Sensoren und Aktoren über eine zentrale Steuereinheit bedienen. Durch deren Vernetzung mit BUS-Systemen lassen sich hochkomplexe Systeme realisieren. Die Verkabelung führte immer zur Steuereinheit. Darüber wurden die Funktionen verwaltet.

Die Digitalisierung war das große Thema. Was ist das nächste?

MH: Digitalisierung! Es geht weiter. In den vergangenen Jahren haben wir erlebt, wie immer mehr Gebäudefunktionen digitalisiert wurden. Begonnen mit, sagen wir, elektrischen Rollläden, über die Wärme- und Lichtsteuerung bis hin zur Markise. Gleichzeitig haben wir erlebt, wie Funktionen intelligent miteinander vernetzt werden. So fährt bei intensiver Sonneneinstrahlung die Beschattungsanlage herunter und gegebenenfalls die Markise heraus, bevor die Klimaanlage aktiv den Innenraum herunterkühlt. Die Effekte sind Kostenersparnis, Ressourcenschonung, erleichterte Bedienbarkeit und reichlich Komfort. Wissend um das Potenzial der Digitalisierung ist das allerdings immer noch verhältnismäßig profan.

Was bedeutet das genau – was wird in Zukunft möglich sein?

MH: Anwendungsszenarien für Gebäude und Quartiere werden künftig nur durch die Fantasie limitiert. Allerdings müssen dafür alle elektronischen Komponenten digital miteinander vernetzt sein und die gleiche Sprache sprechen. Ein Beispiel: Wenn die Straßenleuchte feststellt, dass das E-Mobil vor dem Haus abgestellt wird, werden Parkgebühren zugewiesen, der Ladevorgang initiiert, der Gehweg dynamisch bis zum Wohnhaus ausgeleuchtet, die Haustüre via Gesichtserkennung geöffnet, die tagesspezifische Lichtstimmung genauso wie die Lieblingsmusik initialisiert.

Das klingt spektakulär.

MH: Ja, das ist es auch. Für meinen Nachfolger Johannes Möller wird es sicher eine ebenso aufregende Zeit werden wie für mich zu Beginn der Zweitausender. Denn seit Anfang Juli hat er von mir den Staffelstab für die Leitung der Light + Building übernommen.

Herr Möller, wie fühlen Sie sich dabei?

Johannes Möller (JH): Euphorisch. Ich könnte mir kein spannenderes Themenfeld vorstellen. Ich meine, denken wir an steigenden Wohlstand und Urbanisierung überall auf dem Planeten. Das Gebäude ist einer der Bereiche, in dem das meiste Potenzial steckt.

Stichwort Potenzial. Welche Chance sehen Sie für das Gebäude der Zukunft?

JM: Ich gehe davon aus, dass städtischer Raum global immer knapper wird. Gleichzeitig steigen die Ansprüche an ihn und damit auch an das Gebäude. Es wird also um Smart-Grids genauso gehen wie Predictive Maintenance oder intelligente Straßenbeleuchtung, wie Frau Hasselmann sie gerade schon beschrieben hat. Gleichzeitig müssen die Grundbedürfnisse nach Wasser, Wärme, Strom, Licht, Bewegung und Sicherheit erfüllt sein.

Sie werden die Geschicke der Light + Building steuern. Was ist für Sie die Besonderheit der Weltleitmesse?

JM: Vernetzung. Und zwar gleich auf zwei Ebenen. Einmal geht es natürlich um die Vernetzung der technischen Gebäudeausstattung untereinander – Licht müssen wir hier selbstverständlich mitdenken. Die Digitalisierung bringt vollkommen neue Möglichkeiten. Und die lassen sich auf der Light + Building erfahren. Auf der anderen Seite steht die Fachmesse für die Vernetzung ihrer Aussteller und Besucher. Und das nicht nur über dutzende von Landesgrenzen sondern auch über Professionen hinweg. Diese Kombination macht die Light + Building für mich einmalig.

Noch nie wurde die Frage, ob man Messen nicht auch rein digital durchführen könnte, so laut gestellt wie in diesem Jahr 2020. Die Hintergründe liegen auf der Hand. Wie sehen Sie das?

JM: Die persönliche Begegnung ist unersetzlich. Wie sonst würden wir vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen aufbauen, Produktqualitäten untersuchen, Mitbewerber analysieren, mit multiplen Märkten beziehungsweise Disziplinen in kurzer Zeit in Kontakt kommen und finden, was wir nicht gesucht haben?

Sie planen einiges für die Light + Building. Auch hierbei geht es um Digitalisierung. Wollen Sie kurz skizzieren, was Sie sich vorstellen?

JM: Gern. Die Light + Building ist schon längst nicht mehr eine rein physische Veranstaltung. Über Jahre hat sich Frau Hasselmann dafür eingesetzt, beispielsweise Top-Themen aus der gesamten Branche zu verankern – und das schon Monate vor Beginn der Light + Building. Dazu hat Sie die Website genauso genutzt wie soziale Medien. Der Verteil: Orientierung. Besucher haben es so viel leichter, später physisch durch ein Angebot in der Größenordnung von 52 Fußballfeldern zu navigieren. Und genau diesen Effekt möchten wir in Zukunft noch verstärken. Wir planen daher ein digitales Angebot, dass auch in den zwei Jahren zwischen den Veranstaltungen Mehrwerte für Besucher und Aussteller schafft.

Wie kann man sich das konkret vorstellen?

JM: Tatsächlich will ich noch nicht zu viel verraten. Aber schon so viel: Wir werden unterschiedliche Kanäle nutzen, um Branchendiskussionen anzustoßen, Meinungen und Best-Practice-Beispiele zu veröffentlichen oder auf Trends und Produkt-News zu deuten. Überspitzt formuliert: Bald wird man auch bei der Gartenarbeit Neuigkeiten aus der Branche erleben können.

Das klingt nach Podcast?

JM: Ja, stimmt. Wir planen eine ganze Serie. Aber auch Videos und Foren werden zum neuen Portfolio gehören.

Für wann sind die Neuerungen geplant?

JM: Schon im Juli haben wir die ersten Facetten des ergänzenden digitalen Angebots auf der Light + Building-Website veröffentlicht.

Vielen Dank für das Gespräch.