IFH Köln und Mirakl haben eine Studie über die Einstellung von Großhändlern zum Marktplatzmodell veröffentlicht. Sie zeigt, dass viele Großhändler mittlerweile auf die sich verändernde Marktdynamik und Kundenanforderungen reagieren.
Einkaufsgewohnheiten, die Einkäufer in ihrem Privatleben als B2C-Konsumenten entwickelt haben, schwappen in die B2B-Welt über. In der Folge wächst das Interesse am Marktplatzmodell und neuen Geschäftsmodellen im B2B-Sektor – auch im Großhandel. Laut einer Studie von IFH Köln und Kernpunkt aus 2020 bestätigen 49 Prozent der Großhändler, dass die Plattform Amazon Business immer mehr die Funktion von Großhändlern ersetze. Sie haben daher begonnen, sich mit Geschäftsmodellen wie Dropship auseinanderzusetzen. Wobei 54 Prozent glauben, dass insbesondere B2B-Marktplätze, neben eigenen geschlossenen Onlineplattformen, in Zukunft eine hohe Relevanz als Vertriebskanal haben werden.
Gleichzeitig unternimmt aber nur ein kleiner Teil der Großhändler aktive Schritte zum Aufbau eines eigenen Marktplatzes. Warum steigt der Großhandel also nur zögerlich in die Marktplatzökonomie ein? Dieser Frage geht die aktuelle Studie „Plattformökonomie im Großhandel – (Marktplatz-)Strategien im Fokus“ von IFH Köln und Mirakl nach.
Akuter Handlungsimpuls bleibt aus
Insbesondere Business-Marktplätze, wie Amazon Business und ähnliche digitale Player, die stärker vertikal ausgerichtet sind, entwickeln sich zu großen Wettbewerbern, die sich auf die Eroberung von Marktanteilen der etablierten Unternehmen fokussieren. Hinzu kommt die von den Großhändlern immer noch als gut eingeschätzte wirtschaftliche Lage. Ein direkter Anreiz, sich eingehend mit Marktplätzen zu beschäftigen, bleibt daher aus. Sie halten vorerst weiter an traditionellen Vertriebsstrategien fest und konzentrieren sich eher darauf, bestehende Prozesse zu verbessern, um ihre Ziele rund um Kundenzufriedenheit, Logistik und Wachstum zu erreichen.
„Die Großhandelswelt ist im Umbruch – die Anzahl der B2B-Marktplätze ist in den letzten Jahren rasant gestiegen und digitale Akteure sichern sich einen immer größer werdenden Marktanteil. Traditionelle Großhändler sollten sich nicht mehr durch ihre aktuell als gut empfundene wirtschaftliche Lage auf der sicheren Seite wägen. Unternehmen, die auch in Zukunft am Marktwachstum partizipieren möchte, müssen jetzt handeln. Der First-Mover-Vorteil wird nicht mehr lange nutzbar sein“, so Dr. Kai Hudetz, Geschäftsführer des IFH Köln.
Verkaufsexklusivität und berufliches Selbstverständnis
Der Großhandel lebt seit je her von Kundennähe und engen Beziehungen. Besonders traditionell eingestellte Großhändler halten daher verstärkt an diesem Selbstverständnis und der etablierten Praxis fest. Die Kunden und ihre Bedürfnisse werden jedoch auch im Geschäftskundenumfeld immer individueller, die Einkäufer immer jünger und digitaler. Letztlich erwarten B2B-Käufer heute ein B2C-Shoppingerlebnis, hat das IFH Köln aus den Studienergebnissen abgeleitet. Der Großhandel steckt in der Zwickmühle. Er befürchtet den Wegfall langjähriger Kundschaft durch den Eintritt in die Marktplatzökonomie, gleichzeitig wünschen die eigenen Kunden digitalisierte Prozesse, ein großes Sortiment sowie einfache Vergleichbarkeit und Preistransparenz. Wie können Großhändler dieses scheinbare Dilemma lösen?
Einstieg in die Plattformökonomie
Zwar wird das traditionelle Geschäftsmodell des Großhandels nicht von heute auf morgen abgelöst werden – der Generationenwechsel ist jedoch in vollem Gange. Auf globaler Ebene sind zwei primäre Ansätze zu beobachten: Auf der einen Seite der offensive Ansatz, bei dem Unternehmen den Herausforderungen ihrer Branche mit vorhandenen Ressourcen begegnen und Fachkenntnisse hierfür auf neue Art und Weise einsetzen. Auf der anderen Seite der defensive Ansatz, bei dem Nachzügler auf Wettbewerbsbedrohungen reagieren müssen, um Marktanteile und Margen zu schützen.
Aktuell befindet sich der Großhandel noch in einer idealen Ausgangsposition, um eine offensive Haltung einzunehmen. Händler mit umfangreichen Netzwerken können die Chance nutzen, sich selbst zu einem B2B-Marktplatz zu entwickeln, um als Early Adopter im DACH-Raum aufzutreten. Gleichzeitig muss sich der Außendienst weg vom Transaktionsverkauf, hin zu einer Funktion als Berater, Spezialist und Lösungsanbieter rund um die Angebote des eigenen Marktplatzes entwickeln, rät das IFH Köln in seiner Pressemitteilung. Der Servicegedanke der analogen Welt muss sich im zweiten Schritt auch in die digitale Welt übertragen. So bietet sich die Gelegenheit, einerseits neue Kunden zu gewinnen und andererseits exklusive Stammkunden zu halten.
„Jetzt steht die Entscheidung für Großhändler aller Branchen unmittelbar bevor: Sie müssen die Marktchancen proaktiv nutzen – oder sie werden gegen die Vordenker und Digital Natives, die bereits erste Schritte zur Einführung eines Enterprise-Marktplatzes unternehmen, verlieren. Deutsche Großhändler, die die Marktchancen jetzt nutzen, haben einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil und sind Unternehmen, die sich mit traditionellen Strategien zufriedengeben, einen Schritt voraus“, so Marc Teulières, EVP Customer Success B2B bei Mirakl.