Das Ende der kostenlosen Haustür-Paketzustellung naht

2018 wurden in Deutschland 3,5 Milliarden Pakete ausgeliefert. In zehn Jahren werden es bereits neun Milliarden sein. Die sich daraus ergebenden Folgen sind von der Unternehmensberatung Oliver Wyman im Bericht „Letzte Meile 2028“ zusammengefasst worden.

  • Die Paketzustellung wird sich bis 2028 stark verändern, prognostiziert die Unternehmensberatung Oliver Wyman. Abbildung: DPD/Eric Shambroom
    Die Paketzustellung wird sich bis 2028 stark verändern, prognostiziert die Unternehmensberatung Oliver Wyman. Abbildung: DPD/Eric Shambroom

Die Unternehmensberatung Oliver Wyman prognostiziert unter anderem, dass die steigende Paketflut nur mit zusätzlichen Lieferfahrern zu stemmen ist. Doch schon heute herrscht ein akuter Fahrermangel, dem nur mit höheren Löhnen begegnet werden kann. Eine weitere zentrale These des Berichts „Letzte Meile 2028“ ist, dass die meisten Pakete dann gesammelt an Paketautomaten oder -shops ausgeliefert und vom Besteller selbst abgeholt werden – genannt Multi-Drop-Zustellung.

Luxusgut Haustür-Paketzustellung

Am Wochenende online bestellt, Montag nach Hause geliefert. Dieser heute selbstverständliche, kostenlose Service wird bald der Vergangenheit angehören. Die Daten der Untersuchung „Letzte Meile 2028“ machen deutlich, dass die klassische Haustürzustellung bereits in zwei Jahren ein Luxusgut sein könnte. Grund sind die durch die wachsende Menge an Paketen rasant steigenden Personalkosten und der gleichzeitige wettbewerbsbedingte Druck auf die Preise. Verschärft wird das Kostenproblem durch stark schwankende Paketmengen, die täglich ausgeliefert werden: Montags und dienstags ist die Paketflut besonders groß, an anderen Wochentagen werden deutlich weniger Lieferfahrzeuge gebraucht. Noch spüren Verbraucher nichts von dem steigenden Kostendruck, denn Preissteigerungen konnten sich im Markt bislang nicht durchsetzen, weiß Michael Lierow, Supply Chain-Experte und Partner bei Oliver Wyman: „Der Wettbewerbsdruck im Bereich der letzten Meile ist enorm. Noch sind die Preise für die Auslieferung von Paketen zur Haustür daher sehr niedrig. Doch das wird und muss sich sehr bald ändern. Besonders auf der letzten Meile müssen Besteller mit Zusatzkosten rechnen.“

Auslieferungskosten pro Paket steigen

Bis 2028 wird sich die Anzahl an auszuliefernden Paketen in Deutschland verdreifachen, von 3,5 Milliarden Paketen in 2018 auf bis zu neun Milliarden Pakete. Damit steigt auch der Bedarf an Lieferfahrern auf bis zu 200.000. Im Jahr 2018 waren es noch 90.000 Fahrer. Um dem sich verschärfenden Fahrermangel zu begegnen und den Beruf attraktiver zu machen, ist laut Oliver-Wyman-Analyse eine Anhebung der Stundenlöhne von aktuell rund 15 Euro auf bis zu 30 Euro erforderlich. Die steigenden Personalkosten werden die direkten Kosten pro Paket von 2,50 Euro auf 4,50 Euro klettern lassen.

Multi-Drop-Zustellung als Alternative

Eine Alternative zur teuren Haustürzustellung, wo meistens nur ein Paket pro Stopp ausgeliefert wird, kann laut der Oliver-Wyman-Analyse die sogenannte Multi-Drop-Zustellung sein. Dabei werden mehrere Pakete auf einmal an Paketautomaten oder -shops ausgeliefert. Der Besteller holt die Ware dort ab und erledigt damit die letzte halbe Meile der Zustellung selbst. „Durch diese Form der zentralen Auslieferung sinkt die Zahl an Paketfahrzeugen auf Deutschlands Straßen“, sagt Lierow. „Der Verkehr wird weniger, Emissionen gehen zurück, die Infrastruktur wird entlastet. Und: Die Kosten für die Zustellung sind deutlich geringer als bei der Haustürzustellung.“ Der Oliver-Wyman-Analyse zufolge belaufen sich die Kosten bei der Multi-Drop-Zustellung 2028 auf 2,80 Euro bis 3,30 Euro pro Paket. Damit ist sie mehr als ein Drittel günstiger als die Haustürzustellung, die 2028 4,50 Euro je Paket kosten wird.

Digital optimierte Auslieferstrukturen

Neben neuen Lösungen im Bereich der letzten Meile müssen Paketdienstleister auch dynamischere Auslieferungsstrukturen schaffen, sagen die  Unternehmensberater voraus. Der Grund: Die meisten Verbraucher bestellen am Wochenende, sodass Auslieferungen am Montag und Dienstag 30 Prozent höher sind als in der restlichen Woche. So werden am Anfang der Woche fast doppelt so viele Lieferfahrer benötigt. Und genauso wie der Bedarf an Fahrern schwankt, so schwankt auch die Nachfrage an Sortierleistungen. Agile Depots, in denen bestimmte Abschnitte bei Bedarf nicht genutzt oder aber hochgefahren werden, können helfen, die Schwankungen besser auszugleichen. Hinzu kommen agile Linien- und Routenfahrpläne. Erfolgt die Zustellung heute standardmäßig über Hubs, an denen Pakete gesammelt werden, kann mit dynamischer Planung der Zwischenstopp am Hub an Tagen mit vielen Paketen ausgelassen werden und der Fahrer stattdessen direkt von A nach B fahren. Lierow: „Neue Technologien wie Machine Learning können dabei helfen, exakte Mengen pro Depot vorherzusagen und dynamisch zu planen. Durch eine flexiblere Depot- und Hub-Struktur können Paketdienstleister Einsparungen von bis zu 20 Prozent erzielen.“