Werbung in sozialen Medien, Verkauf über Online-Plattformen, kontaktloses Bezahlen per Smartphone im Geschäft: Der Einzelhandel in Deutschland ist seit der Corona-Pandemie so digital wie nie. Das zeigt eine aktuelle Befragung im Auftrag des Digitalverbands Bitkom.
Den Studienergebnissen zufolge besitzen 68 Prozent der Einzelhändler eigene Social-Media-Profile. Circa ein Drittel bezahlt für Anzeigen etwa in Form von gesponserten Posts. Insgesamt sind 72 Prozent auf Facebook, Instagram und Co. aktiv – doppelt so viele wie vor zwei Jahren, als es 28 Prozent waren. Auch die Zusammenarbeit mit Influencern hat während der vergangenen beiden Jahre an Bedeutung gewonnen: Acht Prozent der Einzelhändler kooperieren mittlerweile mit ihnen, 2019 waren es noch weniger als ein Prozent. Eine eigene Website gehört ohnehin für fast alle Einzelhändler zum Standard (98 Prozent). „Die Corona-Pandemie war für einen großen Teil der Handelsunternehmen ein Weckruf. Viele haben die Digitalisierung in den vergangenen zwei Jahren vorangetrieben und sich online ein zweites Standbein aufgebaut“, sagt Bitkom-Präsident Achim Berg. „Spätestens jetzt ist klar: Eine gute Online-Präsenz ist für Einzelhändler kein Nice-to-have – sie ist Pflichtprogramm.“
85 Prozent der Einzelhändler verkaufen im Netz
Aktuell verkaufen 85 Prozent der Einzelhändler ihre Waren komplett oder parallel zu einem stationären Geschäft im Internet. 2019 waren es mit 58 Prozent noch deutlich weniger. Insbesondere Plattformen spielen eine Rolle: Von jenen Händlern, die online verkaufen, bieten 72 Prozent ihre Produkte und Dienstleistungen auf Online-Marktplätzen/-Plattformen wie Ebay, Amazon oder Zalando an. Vor zwei Jahren waren es 46 Prozent. Einen unternehmenseigenen Webshop betreiben 92 Prozent, diese Zahl ist im Vergleich zu 2019 konstant geblieben. So gut wie jeder Einzelhändler, der ganz oder teilweise online verkauft, nimmt auch Bestellungen per E-Mail entgegen (99 Prozent).
Kontaktloses Bezahlen per Smartphone
An der Kasse bieten mittlerweile 79 Prozent der Einzelhändler laut der Studie die Möglichkeit an, bargeldlos via Smartphone oder Smartwatch zu bezahlen. Vor Corona waren es 44 Prozent. Auch insgesamt werden Kassensysteme digitaler und mobiler: Tablet- oder Smartphone-gestützte Kassensysteme waren bei 23 Prozent bereits vor Corona im Einsatz, fast genauso viele (20 Prozent) kamen seitdem hinzu. 27 Prozent der stationären Einzelhandelsunternehmen setzen Tablet-PCs und interaktive Bildschirme ein – 13 Prozent waren es vor Corona. WLAN im Geschäft (88 Prozent) gehört mittlerweile für die meisten stationären Händler zum Standard (vor Corona: 77 Prozent). Und Loyalitäts- bzw. Bonusprogramme, mit denen man per Smartphone Treuepunkte sammeln kann, gibt es bei 56 Prozent der Einzelhändler (plus vier Prozentpunkte gegenüber der Vor-Corona-Zeit).
Die Lieferoptionen wurden in der Pandemie ebenfalls deutlich ausgebaut. So bieten heute 77 Prozent „Click & Collect“ an. 36 Prozent waren es vor der Pandemie. Auch „Dropshipping“, wenn die im Laden bestellte Ware direkt durch den Hersteller bzw. Großhändler an den Kunden geliefert wird, gibt es bei jedem dritten Händler (33 Prozent) – doppelt so viele wie vor Corona (16 Prozent).
Digitalisierung ist Erfolgsfaktor in der Pandemie
91 Prozent der Befragten Unternehmen sagen, dass durch die Corona-Pandemie Digitalisierung für ihr Unternehmen an Bedeutung gewonnen hat. So sind 79 Prozent der Händler der Meinung, dass Handelsunternehmen, deren Geschäftsmodell bereits digitalisiert ist, besser durch die Corona-Pandemie kommen. Gleiches gilt für digitale Geschäftsprozesse, sagen 74 Prozent. 54 Prozent geben an, dass digitale Technologien ihnen helfen, die Pandemie zu bewältigen. Bei 45 Prozent sorgt die Pandemie für einen Innovationsschub. Dennoch sieht sich der Großteil der Händler (73 Prozent) eher als Nachzügler beim Thema Digitalisierung. Nur ein Viertel (26 Prozent) sieht sich eher als Vorreiter.
Corona verändert die Geschäftsmodelle
Über alle Größen und Handelsbereiche hinweg ist jedes zweite Unternehmen nach eigenen Angaben bislang gut durch die Corona-Krise gekommen (53 Prozent). Ein mit 45 Prozent etwas geringerer Anteil der Händler kann das nicht von sich behaupten und ist sehr schlecht oder eher schlecht durch die Corona-Zeit gekommen. 29 Prozent der Händler hatten laut der Studie sogar Sorge, Insolvenz anmelden zu müssen.
Zugleich gab es einen starken Einfluss auf die Geschäftsmodelle der Handelsunternehmen in Deutschland: So geben acht von zehn Händlern an, infolge der Pandemie bestehende Produkte und Dienstleistungen anzupassen. Jeder Zweite (55 Prozent) bietet neue Produkte und Dienstleistungen an und fast ein Viertel (23 Prozent) nimmt bestimmte Produkte und Dienstleistungen vom Markt. Laut den Studienergebnissen sprechen 35 Prozent der Händler sogar von Veränderungen des gesamten Geschäftsmodells.
Kaum anhaltende Investitionen in die Digitalisierung
Drei Viertel der Händler sehen Digitalisierung als Chance für ihr Unternehmen – nur 22 Prozent als Risiko. Viele Unternehmen stellen Budget für Digitalvorhaben bereit. So haben 41 Prozent der Händler im Jahr 2020 in die Digitalisierung ihres Unternehmens investiert. Etwas weniger (35 Prozent) investieren in diesem Jahr – mit einem durchschnittlichen Anteil von fünf Prozent an den Gesamtinvestitionen. Die Hälfte plant, im Jahr 2022 oder später zu investieren. 59 Prozent haben laut der Studie bereits vor 2020 Geld für die Digitalisierung ihres Unternehmens aufgebracht. Zwölf Prozent haben noch nicht investiert und planen dies auch nicht. Allerdings sind nur die wenigsten bereit, dauerhaft Geld in die Digitalisierung zu stecken. Lediglich zwei Prozent der Handelsunternehmen wollen Jahr für Jahr in die Digitalisierung investieren.
Der stationäre Handel hat eine Zukunft
Leerstehende Ladengeschäfte in Fußgängerzonen, finanzielle Belastungen in Folge der Corona-Pandemie, Konkurrenz aus dem Netz: Der stationäre Handel steht unter Druck. Allerdings ist seine Existenz grundsätzlich nicht bedroht, wie ein Großteil der Handelsunternehmen meint. Fast alle sind der Meinung, dass der stationäre Handel auch in Zukunft bestehen bleibt, nur zwei Prozent sagen, dass er keine Zukunft hat. „Innenstädte sind mehr als Orte des Konsums“, kommentiert Berg. „Sie sind ein Raum, in dem Menschen zusammenkommen und wo öffentliches Leben stattfindet und dazu gehört auch in Zukunft zwingend der Handel.“ Dem stimmen auch die meisten Händler zu: 71 Prozent der befragten Unternehmen sagen, dass sich der stationäre Handel in den Innenstädten neu erfinden muss.