Bitkom: Deutsche Unternehmen zögern bei Plattformen

Amazon, Youtube, Spotify und Alibaba verändern derzeit die Welt. Viele Unternehmen in Deutschland stehen digitalen Plattformen aber skeptisch gegenüber, so ein zentrales Ergebnis einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom.

Digitale Plattformen werden in den kommenden Jahren bei Geschäftsabschlüssen an Bedeutung gewinnen. Abbildung: Pixabay
Digitale Plattformen werden in den kommenden Jahren bei Geschäftsabschlüssen an Bedeutung gewinnen. Abbildung: Pixabay

Zwar haben 45 Prozent der Unternehmen angegeben, dass sie digitale Plattformen eher als Chance für das eigene Unternehmen sehen, zugleich halten aber 30 Prozent diese für ein Risiko. Jedes fünfte Unternehmen (22 Prozent) misst digitalen Plattformen keine Bedeutung für das eigene Geschäft bei. Zum Vergleich: 96 Prozent halten ganz allgemein die Digitalisierung für eine Chance für das eigene Unternehmen, nur drei Prozent sehen in ihr ein Risiko. Das ist das Ergebnis einer Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom unter mehr als 500 Unternehmen in Deutschland mit 20 oder mehr Mitarbeitern.

Keine Einigkeit in Bezug auf Plattformen

Insgesamt zeigen sich die Unternehmen mit Blick auf Plattformen gespalten, hat der Bitkom die Ergebnisse interpretiert. 63 Prozent nehmen an, dass die Nutzung digitaler Plattformen insgesamt mehr Vorteile als Nachteile für sie bringt, aber 27 Prozent sagen, dass digitale Plattformen deren Existenz gefährden. „Jede Branche und jedes Unternehmen muss sich mit digitalen Plattformen beschäftigen. Die Bedeutung und gerade auch die Chancen digitaler Plattformen werden in der deutschen Wirtschaft immer noch unterschätzt“, hat Berg kommentiert. „Manager und Unternehmer, die heute noch glauben, dass die Plattform-Ökonomie keine Auswirkungen auf ihr Unternehmen hat, müssen aufwachen.“

Unternehmen sehen Vor- und Nachteile

In der Studie sind als die wichtigsten Vorteile digitaler Plattformen für die deutsche Wirtschaft folgende genannt worden: die Schaffung eines breiteren Angebots (74 Prozent), die Erschließung neuer Kundengruppen (72 Prozent) und die Sicherung der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens (68 Prozent). Dahinter folgen die Steigerung der Bekanntheit (63 Prozent) und die Förderung von Innovationen (62 Prozent). Aber auch die Einnahmen haben eine wichtige Rolle gespielt. So sehen 57 Prozent eine Steigerung des Umsatzes bei bestehenden Produkten sowie 42 Prozent zusätzliche Umsätze mit neuen Produkten. 47 Prozent der Unternehmen versprechen sich durch die Gewinnung von Daten Vorteile.

Sorgen machen den Unternehmen demgegenüber, laut der Studie, der einfache Marktzutritt für neue Wettbewerber (65 Prozent), ein erhöhter Preisdruck wie der Verlust der direkten Kundenbeziehung (je 55 Prozent). Dahinter folgen schrumpfende Margen durch Gebühren (48 Prozent). Viele Unternehmen fürchten eine starke Stellung des Plattformbetreibers. So haben 42 Prozent Sorgen, dass sie in Abhängigkeit von Plattformbetreibern geraten, und jedes dritte Unternehmen (33 Prozent) sieht die Weitergabe von Kundendaten an den Plattformbetreiber kritisch. Jedes Vierte (23 Prozent) beklagt darüber hinaus einen unklaren Rechtsrahmen, etwa bei Kooperationen für den Aufbau von Plattformen.

Monopolbildung als großes Problem

Eine häufig geäußerte Sorge in der Diskussion über digitale Plattformen ist die Monopolbildung gewesen. Jedes zweite Unternehmen (52 Prozent) glaubt, dass sich auf Dauer nur eine Plattform für einen Zweck auf dem Markt halten könne und so ein Monopol entstünde. „Die Geschichte vom Plattform-Monopol ist ein Märchen“, hat Bitkom-Präsident Achim Berg erklärt. So gebe es im E-Commerce-Markt, auf dem sich die Entwicklung von Plattformen gut verfolgen lässt, zwar nur wenige globale Player, die einen großen Marktanteil auf sich vereinen. Dahinter sei aber eine ganze Reihe von nationalen Anbietern entstanden, und eine Vielzahl von Plattformen besetzten zudem größere oder kleinere Nischenmärkte, hat der Bitkom die momentane Lage zusammengefasst. Berg: „Auf jedem Markt gibt es Platz für mehr als eine digitale Plattform. Und die Karten werden in der digitalen Welt ständig neu gemischt – selbst heute führende Plattformen können in einigen Jahren von neuen Wettbewerbern überholt werden.“

Von digitalen Plattformen profitieren nicht nur die Anbieter

Als besonderes Merkmal von Plattform-Märkten gelte, dass alle Beteiligten aus der Plattform Vorteile ziehen. Laut Studie stehen ganz oben auf der Liste der Nutznießer die Plattformbetreiber selbst (98 Prozent). 79 Prozent sehen aber auch Vorteile für die Anbieter auf der entsprechenden Plattform und 73 Prozent für die Kunden, die die Plattform nutzen. Mehr als jeder Zweite (53 Prozent) sei sogar überzeugt davon, dass die gesamte Branche von einer digitalen Plattform Vorteile hat.

Obwohl Plattformen im Allgemeinen diese ausgesprochen hohe Bedeutung zugemessen wird, haben 30 Prozent angegeben, dass sie für ihr eigenes Unternehmen nicht relevant seien. Jedes elfte Unternehmen (neun Prozent) habe zwar die Bedeutung von Plattformen an sich erkannt, nutze sie aber bisher nicht. Etwas weniger als die Hälfte der Unternehmen ist Anbieter auf Plattformen (45 Prozent), fast genauso viele (44 Prozent) fragen Produkte oder Dienstleistungen auf digitalen Plattformen nach. Nur jeweils fünf Prozent aller Unternehmen haben angegeben, dass sie selbst eine digitale Plattform allein oder mit einem Partner betreiben, hat die Studie ermittelt.

Von den Unternehmen, die Plattformen bislang links liegen lassen, schließen 66 Prozent ihre Nutzung auch für die Zukunft aus, hat der Bitkom ermittelt. Umgekehrt sind die Plattformnutzer von ihrer Entscheidung überzeugt: 93 Prozent derjenigen, die bereits Plattformen nutzen, würden bei einem Jobwechsel auch ihrem neuen Unternehmen empfehlen, auf digitale Plattformen zu setzen.

Anforderungen für den Einsatz digitaler Plattformen

Als größte Hemmnisse für den Einsatz digitaler Plattformen haben die an der Studie teilnehmenden Plattformnutzer genannt: Anforderungen an den Datenschutz (64 Prozent), Anforderungen an die IT-Sicherheit (55 Prozent) und fehlendes qualifiziertes Personal (54 Prozent). Ein unzureichendes Budget (19 Prozent) oder fehlender wirtschaftlicher Nutzen (elf Prozent) spielen demgegenüber nur eine geringe Rolle. Nicht-Nutzer von Plattformen haben, laut Studie, die folgenden Gründe als wichtigste Hemmnisse angesehen: 60 Prozent gaben fehlendes Know-how, 52 Prozent fehlenden wirtschaftlichen Nutzen und 39 Prozent ein unzureichendes Budget als Gründe an, Plattformen nicht einzusetzen.

Bei Investitionen in digitale Plattformen wollen deutsche Unternehmen weiter zulegen, hat die Studie ergeben. Jedes zweite Unternehmen (55 Prozent) hat angegeben, dass die Plattform-Investitionen in diesem Jahr zugenommen haben, bei 37 Prozent sind sie unverändert geblieben, und nur bei zwei Prozent haben sie abgenommen. Im kommenden Jahr will jedes dritte Unternehmen die Ausgaben erhöhen, jedes Zweite möchte sie konstant halten, aber acht Prozent wollen sie reduzieren.

Aufbau deutscher und europäischer Plattformen fördern

Eine Mehrheit (84 Prozent) der Unternehmen hat angegeben, dass die Politik den Aufbau deutscher und europäischer digitaler Plattformen fördern sollte. Als konkrete politische Maßnahmen sind europaweit einheitliche Regeln (53 Prozent) sowie mehr Rechtssicherheit für digitale Plattformen (50 Prozent) gewünscht worden. Öffentliche Mittel zum Aufbau digitaler Plattformen haben nur eine Minderheit von 36 Prozent gefordert. 32 Prozent haben für die Unterstützung bei Kooperationen mit anderen Unternehmen plädiert, um gemeinsam digitale Plattformen aufzubauen. Immerhin 25 Prozent sind dagegen der Meinung gewesen, deutsche Unternehmen sollten sich nicht um das Thema Plattformen kümmern, sondern täten besser daran, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren.

Die Zukunft bringt mehr Plattformen

Große Einigkeit herrscht darin, dass die Bedeutung von digitalen Plattformen künftig weiter zunehmen wird, hat der Bitkom bekanntgegeben. So seien jeweils neun von zehn Unternehmen überzeugt, dass in zehn Jahren digitale Plattformen für die weltweite (90 Prozent) wie auch für die deutsche Wirtschaft (89 Prozent) sehr wichtig oder eher wichtig sein werden. 83 Prozent stimmten der Aussage für die eigene Branche zu und immerhin 75 Prozent für das eigene Unternehmen.