B2B: Deutliche Aufwertung im Verkauf

Kunden erwarten heute mehr vom Verkauf als die bloße Präsentation der Ware. Das individuelle Eingehen auf den Kunden, Zusatzinformationen im Verkaufsgespräch und eine überdachte Qualifizierung der Verkäufer sind Teil des von Karl Heinz Lorenz beschriebenen Value Addes Selling.

  • Nur ein kundenorientiertes Verkaufsgespräch führt zum Erfolg. Abbildung: Pixabay
    Nur ein kundenorientiertes Verkaufsgespräch führt zum Erfolg. Abbildung: Pixabay

Unternehmen transformieren beständig in Richtung Agilität, Teams werden divers, Kunden pendeln zwischen Onlinekauf, Kataloghandel und Realityshop, verlaufen sich dabei gelegentlich auch im Multichannel – kurzum: die Verkaufswelt wandelt sich so rasant wie nie zuvor. Einer der wichtigsten Trends im B2B ist der Wandel vom Verkauf hin zum „Solution Selling“ oder auch „Value Oriented Selling“. Der Kunde erwartet mehr und – sofern die Qualifikation des Verkäufers stimmt – bekommt inzwischen auch mehr.

Value Oriented Selling

Bisher drehen sich in B2B-Geschäften die Verkaufsgespräche sehr häufig um drei Aspekte: Produktmerkmale (bzw. Dienstleistungsinhalte), Verfügbarkeiten und Konditionen. Gelegentlich runden vor allem bei Neukunden noch die mehr oder weniger gelungene Darstellung des eigenen Unternehmens und der eigenen USP‘s die Präsentationsphase ab. Entsprechend waren und sind die Kenntnisse der Verkäufer genau darauf ausgerichtet. Oftmals sind das Mitarbeiter, die aus den technischen Fachabteilungen heraus rekrutiert wurden, hervorragende Produktkenntnisse einbrachten, gelegentlich noch kaufmännisches Wissen erwarben und dann in Trainings ihren rhetorischen Feinschliff erhielten.

Inzwischen nutzen die Kunden im B2B-Bereich sehr professionell einen Mix an Möglichkeiten für ihre Beschaffung. Was standardisierbar ist, vor allem bei Commodity, das wird weitestgehend auf elektronischem Wege abgewickelt, Prozesse werden dadurch noch „leaner“, komfortabler und auch schneller. Beratung und Service werden aus dem Innendienst heraus geleistet. Der Einsatz selbstlernender, KI-basierter Prozesse ist abzusehen und macht in einigen Anwendungsfeldern durchaus Sinn.

Mehrwerte für den Kunden

Finden tatsächlich persönliche Begegnungen zwischen Verkäufer und Kunde statt, dann sind die Erwartungen des Kunden andere, nämlich höhere geworden. Der Verkäufer füllt keinen Auftragsblock mehr aus und Konditionen sind oft für einen längeren Zeitraum bereits verhandelt und festgezurrt. Investieren Kunden Zeit in Gespräche, muss einfach mehr herauskommen, als das, was ohne Zutun im Netz oder per Telefon zu erledigen möglich ist.

Die Erwartung konkret: Der Kunde will in seiner Welt, bei seinen Zielen und Vorhaben, bei seiner Motivation und in seiner besonderen Individualität verstanden und – im Idealfall – weitergebracht werden. Er will einen weiterreichenden Mehrwert als bisher erfahren und nutzen können. Value Oriented Selling, das bedeutet, gemeinsam mit dem Kunden Mehrwerte zu schaffen, die sich an den Zielen des Unternehmens orientieren. Solution Selling, das bedeutet, gemeinsam mit dem Kunden Aufgabenstellungen für die Zukunft zu entwickeln und zu lösen. Beides kann über die Lösung rein technischer, unmittelbarer Fragestellungen deutlich hinausgehen.

Neue Themen im Verkaufsgespräch

Vor allem die Gesprächsinhalte erweitern sich. Zu den bisherigen Inhalten (Produkte, technische Eigenschaften usw.) gesellen sich vor allem die Aspekte, die mit Markt und Betriebswirtschaft zu tun haben. Von Prozessoptimierungen, über Kostensenkungen, neue Logistikwege bis hin zu Produktneuentwicklungen oder generelle Veränderungen des Geschäftsmodells – der Themenkreis ist so offen und individuell, wie es Individualität bei Unternehmen und Kunden gibt.

Im Verkaufsgespräch wird sich unter anderem die Bedarfsanalyse verändern. Um gemeinsam mit dem Kunden eine erfolgreiche Perspektive für die Zusammenarbeit skizzieren zu können, sind zusätzliche Inhalte auf den Tisch zu bringen: „Wie unterscheidet sich Ihr Unternehmen von Ihren Wettbewerbern am Markt?“, „Was sind die strategisch wichtigsten Projekte in Ihrem Unternehmen?“, „Wo sehen Sie die aktuell größten Hürden bei der Erreichung Ihrer Ziele?“ Solche Fragen ergänzen die Bedarfsanalyse um wichtige Inhalte.

Aufqualifizierung

Auf viele Verkaufsmitarbeiter kommen hier neue, noch ungewohnte Themen zu. Ein konzentrierter Wissenserwerb, Praxistraining und Übung sind angesagt. Das Verständnis der eigenen Rolle wird weiterentwickelt und die Arbeitsziele erweitert. Inhalte aus der Betriebswirtschaft und Marktwissen betten Produkt- und Servicekenntnisse in ein Mehrwertverständnis ein. Etwas theoretischer ausgedrückt betrachtet der Verkäufer (zusammen mit dem Kunden) alles auch aus der Metaebene und nicht nur aus der Anwendungssicht.

Die Vorbereitung auf Kundentermine wird künftig die Nutzung von Business-Netzwerken wie XING oder LinkedIn zur Vorinformation als Standard mit einbeziehen. Wertvolle Informationen für den Akquise- und Beratungsprozess können hier abgegriffen und gleichzeitig – mit dem eigenen Profil – zur Verfügung gestellt werden. Der praktische Umgang damit ist für viele immer noch ungewohnt. Der konkrete, wirklich wertvolle Nutzen von Business-Netzwerksystemen ist oft nicht bekannt.

Methodisch steht insgesamt eine etwas andere Gesprächsführung an, bei der sich besonders die Bedarfsanalyse und die Skizzierung von Perspektiven als besondere Trainingsinhalte hervorheben. Dazu gehört auch die Fähigkeit, typische Arbeitsmittel aus der Ideen- und Konzeptentwicklung gekonnt einzusetzen, von Flipcharts, über Mindmapping bis hin zum Einsatz von Moderationsmethoden.

Chance und Fazit

Die Aufqualifizierung  der Vertriebsarbeit birgt tolle neue Chancen, Kunden zu begeistern und Kundenbeziehungen auszubauen. Dabei geht es auf Verkäuferseite nicht darum, bisher Erlerntes abzulösen, sondern darum, die Qualifikation für ein besseres Kundenverständnis zu erweitern. Aus Spezialisten werden zunehmend Generalisten, aus Produktexperten Kundenversteher mit mehr Einfluss auf die Zusammenarbeit zwischen den Geschäftspartnern. Gerade langjährige Mitarbeiter können hier ihre ganze Reife und Erfahrung aus vielen Kundengesprächen und Projekten einsetzen und für den gemeinsamen Erfolg nutzen.

Karl Heinz Lorenz,

Diplom-Betriebswirt, Kommunikationstrainer, Geschäftsführer,

Lorenz-Seminare GmbH.

lorenz-seminare.de