Unternehmen sollten Umweltverträglichkeit und Klimaschutz offensiv kommunizieren, findet die Publizistin Dr. Alexandra Hildebrandt. Außerdem zeigt sie, dass der (Online-)Versandhandel nachhaltiger ist als sein Ruf.
„Umweltverträglichkeit und Versandhandel schließen sich aus?“ Mit dieser Frage warb ein Paketzusteller vor einigen Jahren unter dem Titel „Grüner wird’s nicht“. Zur Umstellung der gesamten Lieferkette auf Nachhaltigkeit und Umweltfreundlichkeit wurde der Geschäftsführer zitiert: „Wir haben viel unternommen, um unser Unternehmen grüner zu gestalten.“ Dann folgen Hinweise auf die Umstellung auf Ökostrom, die Einführung klimaneutraler Eigenmarken und der Satz (im Zusammenhang der Umstellung auf UPS-carbon-neutral-Versand): „Jetzt wollen wir auch unsere Geschäftspartner in unsere Nachhaltigkeitsstrategie einbinden“. Jetzt? Nachhaltige Geschäftsstrategien binden ihre Geschäftspartner von Beginn an in ihre Prozesse ein. Sie sind verbunden mit einem ausgeprägten Verantwortungsbewusstsein auf Unternehmens- und Gesellschaftsebene, die sich auch in der Organisationsstruktur wiederspiegelt – ebenso im Leitbild Nachhaltigkeit, im internen Kennzahlensystem (Erfassung der ökonomischen, ökologischen, sozialen und kulturellen Leistungen) und in der Gesamtkommunikation.
Was Verbraucher wirklich interessiert
Solche Anzeigen sind kein Einzelfall. Leider tragen sie kaum dazu bei, dass Klimaschutz die Verbraucher wirklich interessiert. Das Thema braucht Nähe und Greifbarkeit im besten Wortsinn. Viele, die sich nachhaltig für den Klimaschutz engagieren, werben allerdings im beschriebenen Sinne nicht laut damit, sondern wollen aufgrund ihres Handelns erkannt werden.
Ökologische Versandhandelsunternehmen wie die memo AG nutzen vor allem ihren Nachhaltigkeitsbericht, um transparent und detailliert über diese Themen zu berichten: „Wir haben das Thema Nachhaltigkeit zu unserem Kerngeschäft gemacht und setzen es ganzheitlich im Unternehmen um.“ Was folgt, ist keine Aufzählung dessen, was alles getan wird, sondern wie Prozesse ineinandergreifen und nachhaltig wirken. Ein Beispiel: Mit dem Wertstoff-Box-System wird den Kunden bereits seit 1992 ein bequemes Rücksendeverfahren für ge- und verbrauchte Produkte angeboten. Das System kann beispielsweise zur Rücksendung von leeren Großbehältern zur Nachfüllung von Reinigungsmitteln, Tonermodulen oder Inkjet-Druckköpfen sowie alten Leuchtstoffröhren, Energiesparlampen oder CDs/DVDs verwendet werden. Dieses Beispiel zeigt, was die Globalisierungskritikerin Naomi Klein meint, wenn sie von umfassenden Maßnahmen spricht, die Verbrauchern klimafreundliche Entscheidungen leichter machen. Zudem fordert sie in ihrem Buch „Die Entscheidung“ unter anderem Programme, „die Hersteller für den Elektroschrott verantwortlich machen, den sie produzieren, und eingebaute Redundanz und Veralterung drastisch reduziert“.
Klimafreundlich einkaufen
Bezüglich der Auswirkungen auf Klima und Umwelt besteht die relativ weit verbreitete Meinung in der Öffentlichkeit, dass Onlineshopping zwar für den Verbraucher bequem, für die Umwelt aber schädlich sei, was vor allem auf die relativ hohen Retourenquoten im Onlinehandel zurückgeführt wird.
Demnach stellen sich folgende Fragen:
- Ist der Onlinekauf wirklich klimaschädlicher als der Einkauf im stationären Einzelhandel?
- Welche Faktoren spielen dabei eine Rolle?
- Gibt es Unterschiede zwischen verschiedenen Produktarten?
- Welche Bedeutung kommt hierbei dem Verhalten des Endkunden zu?
Warum wir guten Gewissens online einkaufen können
Bislang gab es keine belastbare Bewertung der CO2-Emissionen in den verschiedenen Handelssegmenten, die auch das Kundenverhalten berücksichtigten. Vor diesem Hintergrund wurde in der Studie des Deutschen Clean Tech Instituts (DCTI) „Klimafreundlich einkaufen – eine vergleichende Betrachtung von Onlinehandel und stationärem Einzelhandel“ im Auftrag der Otto Group und Hermes eine vergleichende Betrachtung des Transportwegs eines Produkts vom Händler zum Kunden zwischen Onlinehandel und stationärem Einzelhandel unter Berücksichtigung unterschiedlicher Käufertypen vorgenommen:
- Die Modernen. Junge Menschen, die in urban geprägten Regionen leben. Sie sind relativ gut informiert, nicht nur im Hinblick auf die Internetnutzung, sondern auch auf das Wissen zu Klimaschutz.
- Die Konservativen. Wohnen primär in ländlichen Gegenden und sind im Durchschnitt 64 Jahre alt. Sie kaufen generell weniger online ein im Vergleich zu den anderen Gruppen.
- Die Sparsamen. Sind hauptsächlich Familien, die auf dem Land leben. Preis- und Produktvergleich werden von ihnen als relativ wichtig einstuft (das Preis-Leistungs-Verhältnis ist für diese Gruppe ein zentraler Aspekt). Zudem gehen sie relativ selten einkaufen.
- Die Konsumorientierten. Kaufen relativ viel ein, am liebsten mit persönlicher Beratung. Beim Onlinekauf wird im Vergleich zu den anderen Gruppen relativ viel bestellt mit der Absicht, die Waren zurückzuschicken. Sie leben häufig in Städten.
- Die Bedarfsorientierten. Sind etwas ältere Personen, die vor allem in der Stadt wohnen. Diese Gruppe kauft trotz eines relativ hohen Pro-Kopf-Nettoeinkommens relativ selten und wenig ein.
Wichtige Ergebnisse der Studie
Trotz hoher Retourenquote und teilweise mehrmaliger Anfahrt durch den Paketzusteller können Kunden guten Gewissens online einkaufen. Das DCTI steht für langjährige Expertise im Bereich Umwelttechnologien und Energie, fundiertes wissenschaftliches Arbeiten, politische Unabhängigkeit und Ideologiefreiheit sowie Unabhängigkeit von Lobbyinteressen.
Außerdem hat das Öko-Institut das methodische Vorgehen, die Annahmen und Berechnungen der DCTI-Studie 2015 einer kritischen Prüfung unterzogen. Der virtuelle Einkauf ist für seine Zielgruppen mit drei wesentliche Faktoren verbunden: Zeitersparnis, Kostenersparnis und Unterhaltung: „Eine Vernetzung dieser Vorteile setzt den Onlinehandel an die Spitze des Konsumentenstroms.“ Im stationären Einzelhandel sucht der Kunde gleichsam nach praktischen und kreativen Wegen, um sich seine Ware zu beschaffen. Daraus resultiert die Mission des stationären Einzelhandels, sich neu zu erfinden.
Das positive Ergebnis für den Online-Handel ergibt sich vor allem durch den verdichteten Transport der Sendungen durch die Paketdienste, die je Anfahrt immer mehrere Kunden beliefern. Die CO2-Bilanz dieser gebündelten Verkehre ist damit der individuellen Anfahrt vieler Kunden mit dem PKW in die Innenstadt deutlich überlegen. Um die Klimabilanz beim Einkaufen weiter zu verbessern, sind alle Beteiligten gefragt – vom Verbraucher über den Handel bis hin zu Logistikunternehmen und der Politik.
Literatur:
Alexandra Hildebrandt/Claudia Silber: „Nachhaltige Beschaffung: Grundlagen – Management – Praxisbeispiele“, Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Alexandra Hildebrandt/Claudia Silber: „CSR und Nachhaltigkeitsmanagement richtig umsetzen: Die wichtigsten Schritte und Werkzeuge – mit zahlreichen Praxistipps und Mustervorlagen“, Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2018.
Alexandra Hildebrandt/Claudia Silber: „Mobilität und Logistik: Richtige Wege, die nicht aufs Abstellgleis führen“, Amazon Media EU S.à r.l. Kindle Edition 2017.
Alexandra Hildebrandt und Werner Landhäußer (Hg.): „CSR und Digitalisierung. Der digitale Wandel als Chance und Herausforderung für Wirtschaft und Gesellschaft“, SpringerGabler Verlag, Heidelberg Berlin, 2017.
Dr. Alexandra Hildebrandt, Publizistin, Wirtschaftspsychologin und Nachhaltigkeitsexpertin.
Twitter: @AHildebrandt70 Foto: Steffi Henn |