Die vergangenen drei Jahre waren für viele Bürofachhändler schwierig. Einige Unternehmen der Bürowirtschaft sind jedoch relativ gut durch die herausfordernde Zeit gekommen. Wir wollten wissen, wie Hersteller und Händler auf die nahe Zukunft des Bürofachhandels blicken.
Sind wir aus dem Gröbsten raus? Die Coronapandemie scheint hinter uns zu liegen, die Inflation schwächt sich langsam ab und die Lieferketten normalisieren sich zusehends. Zudem zeichnen verschiedene Geschäftsbarometer und -indexe ein vorsichtig optimistisches Bild der kommenden Monate. So hat sich laut Ifo-Geschäftsklimaindex im Februar 2023 vor allem der Groß- und Einzelhandel positiv entwickelt. Die aktuelle Geschäftslage sei zufriedenstellend, die negative Stimmung des vergangenen Jahres abgeschüttelt.
Das sagen ausgewählte Unternehmen, Fachhändler und Einkaufskooperationen zu dem Weg durch und aus der Krise sowie zu den größten Herausforderungen und Chancen des Bürofachhandels in naher Zukunft.
Anke Mai, Geschäftsführende Gesellschafterin, Plan Objekt GmbH
„Eine der größten Herausforderungen war gleichzeitig unsere größte Chance. Neues Denken war gefragt, Leben heißt Veränderung. Entscheidungen treffen: Vogel-Strauß-Prinzip ‚Kopf in den Sand‘ oder rebellieren. ‚Jetzt erst recht‘ war unsere Antwort. Wir Office-Rebellen werden in einer Krise noch produktiver. Heißt: akzeptieren, Status quo checken, neue Ziele stecken, neue Wege skizzieren. Also, was braucht die Welt genau JETZT? Aktuelles Wissen, Engagement, innovative Lösungen für neue, komplexere Arbeitswelten. Wir leben es vor: arbeiten hybrid, optimieren Vertriebsprozesse, bauen unsere PR aus, bilden uns stetig weiter. Dadurch gewinnen wir zusätzliche Kunden. Einige Herausforderungen bleiben. Internetportale, die kostenfreie Planungstools integrieren, welche jedoch kein individuelles Arbeitskonzept ersetzen können. Oder Hersteller, die mit Direktgeschäften den Bürofachhandel übergehen. Hier sind wir optimistisch genug, um zu wissen, Qualität setzt sich langfristig durch. Und dafür stehen wir.“
Karla Aßmann, Geschäftsführerin, Assmann Büromöbel
„Wir wollen nicht für die Branche sprechen, aber was uns betrifft, können wir sagen, dass wir gestärkt aus der Krise hervorgehen, weil wir die richtigen Entscheidungen in herausfordernden Zeiten getroffen haben. Die Büroarbeit befindet sich im Wandel. Die Pandemie hat den Megatrend New Work beschleunigt. Die Nachfrage nach flexiblen, multifunktionalen Lösungen und Konzepten mit Wohlfühlatmosphäre für die Realisierung von Büroarbeitsflächen ist stark gestiegen. Neben passenden Einrichtungslösungen bieten wir mit Assmann 4Rooms vollumfängliche Dienstleistungen und Services für die Beratung, Planung und Einrichtung moderner Arbeitswelten.
Die Herausforderung ist, dass das Büro der Zukunft angesichts der hybriden Arbeitsmodelle neu gedacht werden muss. Jetzt kommt es darauf an, die Potenziale zu erkennen und zu nutzen. Die Büroarbeit ist heute agiler, flexibler und ortsunabhängig – Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben werden aufgeweicht. Und dies bietet dem Fachhandel Chancen für langfristige Bindungen mit seinen Kunden – durch sich ständig verändernde Anforderungen.“
Kai-Uwe Heuer, Vorstand, Büroring eG
„Im Ganzen hat der Bürofachhandel die Krisen erstaunlich gut überstanden. Und das haben unsere Mitglieder – typisch Mittelständler – vor allem ihrer Flexibilität und ihrem Einfallsreichtum zu verdanken. So mancher hat aus der Not eine Tugend gemacht und sich – wenigstens in Teilen – neu erfunden. Der eine hat neue Sortimente aufgenommen, der andere hat einen zusätzlichen Vertriebskanal aufgebaut.
Der sich aus der Coronapandemie verstärkende Trend zu mobilem Arbeiten und Homeoffice hat sich unterschiedlich ausgewirkt. Bekanntlich hat vor allem der stationäre Handel Umsätze an den Online-Handel verloren. Hierauf konnten unsere Mitglieder jedoch mit einem eigenen Online-Angebot in Form unseres brShop24 erfolgreich antworten.
Die Digitalisierung ist größte Herausforderung und größte Chance unserer Branche in einem. Zum einen stellt sie alle papiergebundenen Tätigkeiten infrage, zum anderen erfordert sie neue Leistungen und Lösungen für mobile hybride Arbeitsstile. Für unsere Mitglieder heißt dies: weg vom Produktverkäufer, hin zum Problemlöser.“
Georg Mersmann, Mitglied des Vorstands, Soennecken eG
„Unsere Mitglieder haben die Krise erfolgreich gemeistert. Viele Unternehmen haben im vergangenen Jahr gute Ergebnisse erzielt. Besonders freut uns, dass dies auch im Einzelhandel der Fall ist. Allerdings war das ein hartes Stück Arbeit und vielen Händlern merkt man eine gewisse Erschöpfung an. Jetzt geht es darum, den mentalen Krisenmodus zu verlassen und sich wieder auf die Chancen zu fokussieren.
Zu den größten Herausforderungen zählen sicherlich der schrumpfende Markt im klassischen Bürobedarf und die inflationsgetriebenen Preise. Die steigenden Preise im Markt durchzusetzen, um die Marge zu sichern, wird zunehmend schwieriger. Auf der anderen Seite wurde noch nie so viel über das Büro gesprochen. Neue Arbeitsmodelle bieten unseren Händlern die Chance, Sortimente über den klassischen Bedarf hinaus zu liefern und sich als ganzheitlicher Lösungsanbieter rund ums Büro zu positionieren. Wir als Soennecken unterstützen sie dabei mit neuen Servicemodellen wie beispielsweise ‚wir sind raum‘ oder Kaffeemeister.“
Klaus Schalk, Geschäftsführer Kinnarps GmbH
„Der Fachhandel, der sich schon während der Pandemie verstärkt auf Konzepte fokussiert hat, konnte die Krise mit einer Delle durchschiffen. Nachgefragt waren Hygienekonzepte oder Planungsleistungen für ein verändertes Bürolayout, das hybrides Arbeiten besser ermöglicht. Auch die Beratung zu Homeoffice-Lösungen steht nach wie vor hoch im Kurs. Kompetenz in nachhaltigen Bürokonzepten hat sicher ebenfalls geholfen. Wir konnten hier mit unserem Know-how oder unseren nachhaltigen Lösungen aktiv unterstützen.
Wir beobachten, dass einige Unternehmen noch nicht im vollen Umfang erkennen, dass es notwendig ist, Büroflächen der neuen Realität anzupassen. Sei es zum Wohl der Mitarbeitenden, sei es, um die veränderte Art zu arbeiten zu unterstützen. Selbst Kunden, die diesen Wandel anerkennen, tun sich mitunter schwer, ihn auch umzusetzen. Darüber hinaus fehlen Spezialisten beim Fachhandel, die diese Prozesse begleiten. Eine Chance für den Fachhandel sehen wir darin, sich stärker auf New Work zu konzentrieren, konzeptionelle Begleitung anzubieten, um vom Fokus auf den Preis Abschied zu nehmen.“