Interview mit Holger Preibisch vom Deutschen Kaffeeverband

Ohne Kaf­fee geht es hier­zu­lan­de nicht. Das be­lieb­te Heiß­ge­tränk wird immer und über­all ge­trun­ken, im Ho­me­of­fice, in Büros und un­ter­wegs. Wir spra­chen mit Hol­ger Prei­bisch, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deut­schen Kaf­fee­ver­ban­des e. V., über Kaf­fee­kon­sum, Kaf­fee­pau­sen im Of­fice und Nach­hal­tig­keit.

Holger Preibisch, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Kaffeeverbands e. V. Abbildung: Deutscher Kaffeeverband/Bento Stachowske
Hol­ger Prei­bisch, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Deut­schen Kaf­fee­ver­ban­des e. V. Ab­bil­dung: Deut­scher Kaf­fee­ver­band/Bente Sta­chow­ske

OF­FICE DEALZZ: Herr Prei­bisch, wie viele Tas­sen Kaf­fee ge­nie­ßen Sie ei­gent­lich am Tag?

Hol­ger Prei­bisch: Über den Tag ver­teilt sind es meist acht Tas­sen Kaf­fee. Damit liege ich wohl deut­lich über dem Durch­schnitt. Laut un­se­rer re­prä­sen­ta­ti­ven Kaf­fee­kon­sum-Stu­die „So trinkt Deutsch­land Kaf­fee“ trank jeder Bun­des­bür­ger im Jahr 2020 2,9 Tas­sen Kaf­fee.

Der Ge­nuss von vier bis fünf Tas­sen Kaf­fee pro Tag (max. 400 mg Kof­fe­in) ist nach An­ga­ben der Eu­ro­päi­schen Be­hör­de für Le­bens­mit­tel­si­cher­heit (EFSA) für einen ge­sun­den Er­wach­se­nen üb­ri­gens ab­so­lut un­be­denk­lich. Auf­grund der guten Stu­di­en­la­ge wis­sen wir heute auch, dass Kaf­fee viele po­si­ti­ve Wir­kun­gen auf den Kör­per hat. Es zeigt sich zum Bei­spiel immer deut­li­cher, dass Kaf­fee die Fett­ver­bren­nung an­kur­belt, dass er den Kör­per vor man­chen Krebs­ar­ten und Par­kin­son schüt­zen und als wich­ti­ges An­ti­oxidans Al­te­rungs­er­schei­nun­gen vor­beu­gen kann. In­so­fern darf es für mich auch gern mal ein Täss­chen mehr sein.

Wer sind die Mit­glie­der des Deut­schen Kaf­fee­ver­ban­des und wie viele gibt es?

Im Deut­schen Kaf­fee­ver­band ist die ge­sam­te deut­sche Kaf­fee­bran­che ver­sam­melt. Mit ak­tu­ell 317 Mit­glieds­un­ter­neh­men sind wir das größ­te Kaf­fee­netz­werk in Eu­ro­pa. Un­se­re Mit­glie­der sind vom Anbau bis in die Tasse ent­lang der ge­sam­ten Wert­schöp­fungs­ket­te von Kaf­fee tätig. Dazu ge­hö­ren unter an­de­rem Nach­hal­tig­keits­or­ga­ni­sa­tio­nen, Kaf­fee fi­nan­zie­ren­de Ban­ken, Roh­kaf­fee­händ­ler, -mak­ler und -agen­ten, Ree­de­rei­en, Lo­gis­ti­ker und La­ger­hal­ter, Her­stel­ler von Röst­ma­schi­nen und An­la­gen­tech­nik, große und klei­ne Rös­te­rei­en, Ent­kof­fe­i­nie­rer und Her­stel­ler von lös­li­chem Kaf­fee, Le­bens­mit­tel­la­bo­re, Ver­pa­ckungs­ma­schi­nen­her­stel­ler, Her­stel­ler und Händ­ler von Kaf­fee­ma­schi­nen und -au­to­ma­ten sowie Cof­fee-Con­sul­tants. Ob groß oder klein – wir als Ver­band sind für alle Mit­glie­der glei­cher­ma­ßen da und ver­tre­ten ihre wirt­schaft­li­chen und po­li­ti­schen In­ter­es­sen auf na­tio­na­ler und in­ter­na­tio­na­ler Ebene.

Wie sind die im Ver­band or­ga­ni­sier­ten Un­ter­neh­men bis­lang durch die Krise ge­kom­men?

Zu Be­ginn und im Ver­lauf der Co­ro­na-Pan­de­mie haben wir wie­der­holt Blitz­um­fra­gen in un­se­rer Mit­glied­schaft durch­ge­führt, um ein kla­re­res Bild der Si­tua­ti­on zu er­lan­gen und die Ver­bands­ak­ti­vi­tä­ten pass­ge­nau auf die Be­dürf­nis­se un­se­rer Mit­glieds­un­ter­neh­men ab­stim­men zu kön­nen. Daher wis­sen wir, dass die Bran­che, mit Aus­nah­men, ins­ge­samt sehr gut durch das Jahr 2020 ge­kom­men ist. Kaf­fee ist ein kri­sen­fes­tes Pro­dukt. Das be­le­gen auch un­se­re kürz­lich ver­öf­fent­lich­ten Markt­da­ten: Der Kaf­fee­ge­samt­markt legte in Deutsch­land im Jahr 2020 um 1,5 Pro­zent zu. Das ent­spricht 20 Tas­sen Kaf­fee, die 2020 pro Kopf in Deutsch­land mehr ge­nos­sen wur­den.

Kaf­fee ist seit ei­ni­gen Jah­ren das Lieb­lings­ge­tränk der Bun­des­bür­ger und ist es auch im tur­bu­len­ten Jahr 2020 ge­blie­ben. Lock­down heißt nicht, dass kein Kaf­fee mehr ge­trun­ken wird, wenn Cof­fee­shop und Kan­ti­ne ge­schlos­sen sind. Viel­mehr haben sich die Kon­sum­or­te in die­ser Zeit ver­än­dert.

Milchkaffee, Espresso, Latte Macchiato: Auch 2020 waren Kaffee und Kaffeespezialitäten wieder das beliebteste Getränk der Deutschen. Abbildung: Deutscher Kaffeeverband/Bento Stachowske
Milch­kaf­fee, Es­pres­so, Latte mac­chia­to: Auch 2020 waren Kaf­fee und Kaf­fee­spe­zia­li­tä­ten wie­der das be­lieb­tes­te Ge­tränk der Deut­schen. Ab­bil­dung: Deut­scher Kaf­fee­ver­band/Bento Sta­chow­ske

Der Kaf­fee­kon­sum ist 2020 trotz Zu­gangs­be­schrän­kun­gen für Büros, Gas­tro­no­mie und Ho­tel­le­rie ge­stie­gen. Wie kommt das?

Zu­rück­zu­füh­ren ist die po­si­ti­ve Ent­wick­lung auf den Kaf­fee­kon­sum zu Hause. Die­ser ver­zeich­ne­te im ver­gan­ge­nen Jahr ein Plus von rund elf Pro­zent (plus 37.900 Ton­nen Röst­kaf­fee). Der Kon­sum in der Gas­tro­no­mie, am Ar­beits­platz und au­ßer­halb der ei­ge­nen vier Wände ging im sel­ben Zeit­raum um 23 Pro­zent zu­rück (minus 30.300 Ton­nen Röst­kaf­fee). Die Ver­lus­te im Au­ßer-Haus-Markt von Kaf­fee konn­ten je­doch durch das enor­me Wachs­tum im Be­reich des hei­mi­schen Kon­sums mehr als kom­pen­siert wer­den.

Wie wich­tig ist Kaf­fee für die Bü­ro­ar­beit – wo auch immer sie statt­fin­det?

Sehr wich­tig. Kaf­fee be­sitzt nicht nur eine be­le­ben­de Wir­kung, son­dern Kaf­fee­pau­sen haben auch eine wich­ti­ge so­zia­le Funk­ti­on. Wo tauscht man sich in­for­mell mit den Kol­le­gen aus, wo kann man Mei­nun­gen, Ge­dan­ken und Ideen ab­seits von of­fi­zi­el­len Mee­tings mit Kun­den oder Vor­ge­setz­ten un­ge­fil­tert sor­tie­ren und be­spre­chen? In der Kaf­fee­kü­che. Wenn Sie mich fra­gen, ist dies einer der wich­tigs­ten Orte im Büro: ein Raum fürs So­cia­li­zing und oft der Ort, an dem gute Ideen ihren Ur­sprung haben oder, min­des­tens eben­so wich­tig, wo ver­hin­dert wurde, dass sie un­ge­se­hen im Pa­pier­korb ge­lan­det sind.

Ist die ge­mein­sa­me Kaf­fee­pau­se ein star­kes Ar­gu­ment für eine Rück­kehr ins Büro oder be­steht eher die Ge­fahr, dass diese Tra­di­ti­on aus­stirbt?

Ich kann mir nicht vor­stel­len, dass die Tra­di­ti­on der ge­mein­sa­men Kaf­fee­pau­se je­mals aus­ster­ben wird. Ganz im Ge­gen­teil, die Kaf­fee­pau­se ist für viele Ar­beit­neh­mer so wich­tig, dass sie wäh­rend Lock­down und Ho­me­of­fice viel­fach vir­tu­ell über den Bild­schirm statt­fand. Si­cher­lich wird es von Vor­ge­setz­ten-Sei­te nicht hei­ßen: Bitte kom­men Sie zu­rück ins Büro, wir müs­sen Kaf­fee trin­ken. Aber die be­reits be­schrie­be­nen Mo­men­te des So­cia­li­zings und des Ge­dan­ken­aus­tau­sches, die unter an­de­rem bei einer Kaf­fee­pau­se statt­fin­den, wird viele Un­ter­neh­men ver­mut­lich dazu be­we­gen, ihre Mit­ar­bei­ter, so­bald es mög­lich ist, zu­min­dest punk­tu­ell wie­der zu­rück ins Büro zu holen.

Vor der Pan­de­mie wurde das Mo­dell Cof­fee as a Ser­vice im Of­fice-Be­reich immer wich­ti­ger. Wie ent­wi­ckelt sich die­ses Thema?

Die Zu­kunft der Ar­beits­kul­tur wird sich neu de­fi­nie­ren und damit auch die Kaf­fee­zu­be­rei­tung im Büro. Es wird po­la­rer wer­den: Ent­we­der der „für Dich“ zu­be­rei­te­te Kaf­fee oder der ab­so­lu­te „Self Ser­vice Cof­fee Point“.

Wel­che Rolle spielt die öko­lo­gi­sche Nach­hal­tig­keit für Ihre Bran­che? Stich­wort: Ein­weg­be­cher.

Um­welt­be­wusst­sein und Nach­hal­tig­keit wer­den zu einem immer wich­ti­ge­ren Wirt­schafts­fak­tor – auch und vor allem im Be­reich der Kaf­fee­ver­pa­ckung. Die Un­ter­neh­men der Kaf­fee­bran­che ar­bei­ten kon­ti­nu­ier­lich an die­sem wich­ti­gen Thema, und wir als Ver­band för­dern den fach­li­chen Aus­tausch und die Fort­bil­dung dazu durch Fach­in­for­ma­tio­nen und -ver­an­stal­tun­gen. Das Thema Ein­weg­be­cher ist ein be­son­de­res, da ab Juli in Deutsch­land eine Pflicht zur Kenn­zeich­nung von Ein­weg­be­chern mit Kunst­stoff­an­teil in Kraft tritt.

Die maßgeblichen Entwicklungen des Kaffeemarktes 2020 in Deutschland. Abbildung: Deutscher Kaffeeverband
Die maß­geb­li­chen Ent­wick­lun­gen des Kaf­fee­mark­tes 2020 in Deutsch­land. Ab­bil­dung: Deut­scher Kaf­fee­ver­band

Wie ent­wi­ckelt sich das Thema Fair-Tra­de-Kaf­fee?

Hier gilt es ganz genau zu un­ter­schei­den: Spre­chen Sie von so­ge­nann­tem „fair ge­han­del­ten“ Kaf­fee oder von Fair­tra­de-zer­ti­fi­zier­tem Kaf­fee?

Er­klä­ren Sie uns bitte den Un­ter­schied.

Die Be­grif­fe „fair“ und „nach­hal­tig“ un­ter­lie­gen in der Le­bens­mit­tel­bran­che kei­ner ge­setz­li­chen De­fi­ni­ti­on und sind somit an kei­ner­lei ver­bind­li­che Auf­la­gen oder Re­ge­lun­gen ge­bun­den. Viele Un­ter­neh­men, die im Kaf­fee­be­reich tätig sind, wür­den sich eine sol­che Ver­bind­lich­keit im Üb­ri­gen wün­schen, um das Thema ge­mein­schaft­lich ef­fek­ti­ver vor­an­trei­ben zu kön­nen und Wett­be­werbs­gleich­heit zu schaf­fen.

Bei Fai­tra­de-Kaf­fee han­delt es sich hin­ge­gen um eine an­er­kann­te Zer­ti­fi­zie­rung. Wei­te­re be­kann­te Sie­gel sind zum Bei­spiel Rain­fo­rest Al­li­an­ce/UTZ, 4C, Bio oder GEPA. Diese Sie­gel ga­ran­tie­ren die Ein­hal­tung un­ter­schied­li­cher öko­lo­gi­scher, so­zia­ler und wirt­schaft­li­cher Stan­dards – um wel­che es sich im Ein­zel­nen han­delt, kön­nen Kon­su­men­ten bei den da­hin­ter­ste­hen­den Or­ga­ni­sa­tio­nen er­fra­gen. Nach Schät­zun­gen des Deut­schen Kaf­fee­ver­ban­des lag der Markt­an­teil von Kaf­fee aus nach­hal­tig zer­ti­fi­zier­tem Anbau, der auf der Ver­pa­ckung als sol­cher ge­kenn­zeich­net ist, in Deutsch­land im Jahr 2020 bei 13 Pro­zent (nach Vo­lu­men Röst­kaf­fee­markt ge­samt). Ten­denz stei­gend. Der echte An­teil von zer­ti­fi­zier­ten Kaf­fees liegt aber über die­ser Menge, da in den 13 Pro­zent zum einen nur eine Aus­wahl an Sie­geln er­fasst wurde und zum an­de­ren nicht alle Kaf­fees, die aus nach­hal­tig zer­ti­fi­zier­tem Anbau stam­men, auch als sol­che de­kla­riert wer­den.

Noch ein letz­ter Zu­satz zu die­sem kom­ple­xen und wich­ti­gen The­men­feld, das mir per­sön­lich sehr am Her­zen liegt: Grund­sätz­lich stel­len wir fest, dass die Kaf­fee­bran­che in Sa­chen Nach­hal­tig­keit sehr gut auf­ge­stellt ist: Kaf­fee­un­ter­neh­men en­ga­gie­ren sich heute viel­sei­tig, sei es in den Be­rei­chen Um­welt- und Kli­ma­schutz oder für bes­se­re Ar­beits­be­din­gun­gen, bes­se­re Ge­sund­heits­ver­sor­gung, faire Löhne etc. Die Maß­nah­men rei­chen von ei­ge­nen Nach­hal­tig­keits­pro­jek­ten im Ur­sprung über die Zu­sam­men­ar­beit mit ge­mein­nüt­zi­gen In­sti­tu­tio­nen vor Ort bis hin zu den be­reits ge­nann­ten Zer­ti­fi­zie­run­gen von Kaf­fee, und dies sind nur ei­ni­ge Bei­spie­le. Nichts­des­to­trotz gilt auch für Kaf­fee: Wir müs­sen und kön­nen immer noch bes­ser wer­den. Dies ist ge­mein­sa­mer An­spruch und Ziel der ge­sam­ten Bran­che.

Vie­len Dank.

Die Fra­gen stell­te Ger­rit Krä­mer.