In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.
1) Herr Link, was fasziniert Sie am Thema Büromöbel?
Joachim Link: Mich fasziniert an den Themen Büromöbel und Büroeinrichtung, dass wir mit unseren Produkten einen direkten Einfluss auf die Kreativität, Produktivität, Ergonomie, Gesundheit und das Wohlbefinden der Nutzer haben. Aus Technik- und Produktionssicht fasziniert mich die Vielfalt der Materialien. Von Textilien, Leder, Schaum, Polstermaterialien, Holz, Kunststoffen, Aluminium, Stahl bis hin zu Elektronik- und Steuerungskomponenten wie Sensoren etc.
2) Laut dem deutschen Büroeinrichtungsverband IBA ging es für die Branche 2020 steil bergab. 2021 wurde immerhin wieder ein Umsatzplus von sechs Prozent erreicht. Wie ist Interstuhl bislang durch die Krise gekommen?
Interstuhl hat sich entgegen dem Trend sehr gut entwickelt. Wir können ein schönes Umsatzplus in 2021 verzeichnen. Derzeit bereiten wir hierüber eine Pressemeldung vor. Die Branche wird in Kürze von uns hören.
3) Sicher hatte auch Interstuhl mit Lieferengpässen zu kämpfen?
Ja, sicherlich. Jedoch konnten wir diese durch folgende Punkte in Grenzen halten:
a) einen hohen und in der Krise noch gesteigerten Eigenfertigungsanteil und
b) durch rechtzeitige, drastische Erhöhung unserer Vormaterial-Lagerbestände.
4) Die Preise für Vormaterialien, Energie und Logistik sind stark gestiegen. Musste auch Interstuhl die Preise für seine Lösungen erhöhen?
Ja, auch wir mussten unsere Preise aufgrund extrem stark gestiegener Vormaterialkosten erhöhen. Da wir auch in Zukunft die Qualität und Innovationen unserer Produkte hochhalten wollen, wird eine weitere Steigerung unserer Preise unumgänglich sein.
5) Wie wichtig ist der Produktionsstandort Deutschland für Interstuhl?
Unser zentraler Standort ist und bleibt Meßstetten-Tieringen. Mit entsprechender Organisation und Automatisierung kann auch der Produktionsstandort in Deutschland nach wie vor wettbewerbsfähig sein. Sehr wichtig ist uns weiterhin eine eigenständige Forschung, Entwicklung und Konstruktion. Damit können wir nicht nur unsere eigenen Ideen und unser eigenes Design realisieren, sondern auch entscheidend dazu beitragen, die Sicherheit unserer Lieferketten sicherzustellen.
6) 2018 haben Sie sich in einem Brandbrief an Landes-, Bundes- und Europapolitiker gewandt. Sie wollten den Möbelproduzenten Rolf Benz übernehmen. Das Rennen machte aber ein chinesisches Unternehmen. Wie waren die Reaktionen?
Die Reaktionen waren enorm, nicht nur seitens der Presse, zum Beispiel durch das „heute journal“, die Bild-Zeitung und große überregionale Zeitungen, sondern auch von vielen Unternehmern in unserer Region und in Deutschland. Sehr viel Zustimmung habe ich erfahren zu der Thematisierung des Missstandes, dass chinesische Unternehmen in Deutschland und Europa alle Rechte und Freiheiten nutzen können und umgekehrt deutsche oder europäische Unternehmen in China keinen Schritt ohne staatliche Aufsicht und Steuerung unternehmen können. Bei dem zu erwartenden und sich weiter zuspitzenden Wettkampf der Wirtschaftsmächte USA, China, Europa kann dies nicht so bleiben!
7) Wie gehen Sie auf der schwäbischen Alb mit dem Fachkräftemangel um?
Insbesondere, indem wir in insgesamt 20 unterschiedlichen Ausbildungsberufen und Studiengängen (insgesamt über 50 Auszubildende und Studierende) selbst ausbilden und indem wir alles tun, um als attraktiver Arbeitgeber in der Region und darüber hinaus wahrgenommen zu werden.
8) Welche Bedeutung hat die Nachhaltigkeit für Interstuhl?
In einem typisch schwäbischen, familiengeführten Unternehmen wie dem unseren denken wir in Generationen. Unsere Investitionen sind grundsätzlich nachhaltigkeitsorientiert und richten sich nicht nach dem maximalen, oft kurzfristigen Profit.
9) Wäre es eigentlich möglich, zu jeder Interstuhl-Lösung auch die jeweiligen CO2-Emissionen auszuweisen?
Ja, das ist heute schon möglich. Wir sind aber auch davon überzeugt, dass zum Thema Nachhaltigkeit wesentlich mehr Kriterien wichtig sind als nur CO2-Emissionen.
10) Mit wem würden Sie gern einmal im Aufzug stecken bleiben, um mit ihm worüber zu sprechen?
Beim Thema Aufzug denke ich unweigerlich an den 246 m hohen Thyssen-Testturm hier ganz bei uns in der Nähe in Rottweil, dessen Architekten Helmut Jahn und Werner Sobek waren. Sollte ich in einem Aufzug stecken bleiben, würde ich mich gerne mit einem der beiden (Helmut Jahn ist leider bereits verstorben) über das Büro und insgesamt das Arbeiten der Zukunft intensiv unterhalten. Da die zwei ja den Turm entworfen und gebaut haben, wären wir sicherlich auch – nach der Erstellung eines sehr zukunftsweisenden Konzeptes – wieder heil heraus gekommen.
Haben Sie vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.