In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.
1) Erich Peter, wie bist Du zur Bürowirtschaft gekommen?
Erich Peter Hoepfner: Nach meinem Studium der Betriebswirtschaft habe ich mich als Trainee im Verkauf bei Voko in Garbenteich beworben. Die Ausbildung war zum damaligen Zeitpunkt top und sowohl die Voko-Bürozentren als auch die Voko-Fachhändler konnten sich um den Trainee bewerben. Ich ging nach Frankfurt zu dem Fachhändler Union Zeiss und spezialisierte mich sehr früh auf das Thema Beratung bzw. den Verkauf von Dienst- und Planungsleistungen. In Verbindung mit der Danner Consult in Berlin von Beate und Gerd Danner gelang es mehr und mehr, Kunden zu gewinnen. Seinen vorläufigen Höhepunkt fand dies mit dem Beratungsvertrag für den Neubau der Hauptverwaltung der Fresenius AG in Bad Homburg. Zu diesem Zeitpunkt fanden intensive Gespräche mit Voko statt, die dann 1996 zu einem Wechsel nach Garbenteich führten. Mit der Übernahme der Vertriebsleitung des Voko-Bürozentrums bauten wir das Thema Baubegleitende Beratung weiter aus und konnten damit sehr gute Ergebnisse erzielen.
2) Wie ging es dann weiter?
2001 war die Schieflage des Voko-Werks nicht mehr umzukehren. Die Gewissheit, nichts mehr für Mitarbeiter wie Kunden tun zu können, führte mich in die Selbstständigkeit. Meine Erfahrungen und auch die Überlegungen, wie sich der Markt für Büroeinrichtung entwickeln und mit welchen Herausforderungen Hersteller und Fachhändler künftig konfrontiert sein werden, führten zu einer Zusammenarbeit mit der Firma Ceka in Alsfeld. Mit meinem Mentor Jürgen Schmidt gründete ich im Dezember 2001 die munich consult GmbH, die bereits als Einzelunternehmen seit über zehn Jahren bestand. Gleichzeitig vereinbarte ich mit Ceka einen Ausbildungsvertrag zur Gründung einer Akademie mit dem Ziel, Fachhandel wie auch eigenes Personal auszubilden. Der Start verlief sehr erfolgreich, der Fachhandel erkannte die Notwendigkeit und nahm das Weiterbildungskonzept „Dienstleistungen verkaufen“ an. Nur zwei Jahre später geriet Ceka in Schieflage und Roland Berger übernahm im Jahre 2003 die Führung. Daraufhin war das Weiterbildungskonzept obsolet. Allerdings blieb ein harter Kern von Fachhändlern, die an der konzeptionellen Entwicklung festhielten, und wir konnten in diesem Rahmen weiterarbeiten.
Immer mehr reifte hierbei auch die Idee, junge Nachwuchskräfte für den Fachhandel auszubilden. Denn der Fachhandel suchte händeringend „Nachwuchs“. Ich entwickelte auf Basis meiner eigenen Trainee-Erfahrung ein zweijähriges Trainee-Programm für junge Berufseinsteiger, das ich 2005 einem Fachhandelskreis der Quest Consulting Rosenheim vorstellte. In Zusammenarbeit mit Quest und Steelcase startete 2007 das erste Trainee-Programm für den Fachhandel. Inzwischen konnten wir die erfolgreiche Ausbildung in weiteren sieben Staffeln wiederholen.
Aus der ursprünglichen Ceka-Fachhandelsakademie sind zwölf erstklassige Fachhändler hervorgegangen, die im Bundesarbeitskreis Büro (BAKB) organisiert sind. Dieser hat einen Gruppenumsatz von über 60 Millionen Euro. Wir haben hohe interne Qualitätskriterien, nach denen wir in Führung, Verkauf, ID und Planung ausbilden. Natürlich intensiv nach Quality-Office-Standard-Kriterien.
3) In der Büroeinrichtungsbranche ist Voko noch vielen ein Begriff. Wer war Voko und warum gibt es das Unternehmen nicht mehr?
Voko, die Franz Vogt GmbH & Co KG, war Marktführer und Innovationstreiber der Branche. Der treibende Gedanke war hier: Wie wird sich die Organisation in den Unternehmen entwickeln? Welchen wirtschaftlichen Herausforderungen müssen sich die Unternehmen stellen, und welche Bedeutung hat der Mensch?
Schon in den 70er und 80er Jahren wurde mit MEP/R (Modulares Element Programm Raum) ein Möblierungssystem bzw. eine Arbeitslandschaft in Systembauweise entwickelt, die Organisation auf der Fläche ermöglichte.
Konsequent weitergedacht entwickelte Voko 1984 das Programm RMT (Raum Mensch Technik). Höhenverstellbare Lifttische, integrierte Aufsatzleuchten mit Direkt-/Indirekt-Lichtanteil von Waldmann, raumgliedernde Stellwände, elektrifizierbar, organisierbar über Aufrüstblenden, hochgradig akustisch wirksam, sowie raumgliedernde Schränke im Sockel, ebenfalls elektrifizierbar, ließen keine organisatorischen wie auch ergonomischen Fragen unbeantwortet. Dazu gab es raumteilende Schrank- und Trennwände, alles aus einer Hand, und mit der I+E (Innovations- und Entwicklungsabteilung) eine spezialisierte Beratungseinheit, die eine Vielzahl von nationalen und internationalen Großunternehmen betreute.
Mit V10, der Entwicklung eines Traversensystems mit höchst flexiblen Ansprüchen, wurde der nächste konsequente Schritt in der Organisationsentwicklung gegangen. Doch das System, vom Grundgedanken richtig, ließ sich praktisch nicht umsetzen. Daraus ging der letzte große Entwurf der Voko-Ära hervor: TEC 10 – die praktische Umsetzung und Weiterentwicklung von V10. Ein allerletzter Versuch mit M-Office von Frog Design scheiterte 1999.
Zu diesem Zeitpunkt gelang es dem Wettbewerb immer mehr, sich in der alten Voko-Rolle zu etablieren. Durch funktionale und kostengünstige Systeme, aber auch durch neue designorientierte und organisatorische Ansätze. Somit ging 2001 die Erfolgsstory von Voko zu Ende. Bekanntlich kommt Hochmut vor dem Fall und Erfolg macht träge. Führungsschwach und zu tief in alten Vorgehensweisen verwurzelt, gelang es nicht, sich selbst zu erneuern.
4) Was macht der Bundesarbeitskreis Büro (BAKB) genau?
Der BAKB ist ein Netzwerk aus zwölf professionellen Büroeinrichtern im gesamten Bundesgebiet. Wir alle haben das Ziel, unseren Kunden in VUCA-Zeiten ein kompetenter, zukunftsweisender und zuverlässiger Partner zu sein. Dazu braucht es eine hohe Qualifikation sowohl in der Organisation der Fachhandelshäuser als auch der Mitarbeiter.
Die Herausforderungen der Zukunft werden durch Megatrends bestimmt. Demographischer Wandel, Digitalisierung, zunehmende Komplexität, Globalisierung und sich verändernde Organisationsstrukturen verlangen ein Umdenken im Ablauf wie auch in der Gestaltung von Arbeit.
Ein einzelner Fachhändler kann diese zeitlichen, technischen und wissenstechnischen Herausforderungen nicht wirklich stemmen. Es erfordert eine enge Kooperation und Vernetzung unserer Leistungen sowie eine gelingende Transformation von Know-how durch Aus- und Weiterbildung (siehe Traineeprogramm). Dazu braucht es Vertrauen, Respekt, Offenheit und Ehrlichkeit, Kollegialität und Fairness. Das leben wir in einer gewachsenen Gemeinschaft, dem BAKB.
5) Welche Fehler wurden und werden aus deiner Sicht in der Büroeinrichtungsbranche gemacht?
Ich denke, dass viel zu lange in Möbelprogrammen gedacht wurde, die bestimmte Organisationsanforderungen aufnehmen und umsetzen. Aber nicht Konzepte bestimmen die Organisation, sondern die Organisation bestimmt die Konzepte.
Wenn wir heute nicht wissen, welche Marktanforderungen – Stichwort Customer Journey – an uns herangetragen werden, dann kann ich nur mit Flexibilität eine Lösung erreichen. Diese manifestiert sich nicht in festen Programmen, sondern vielmehr in der intelligenten Planung, beginnend bei einer Immobilie wie auch der damit verbundenen flexiblen Gestaltung von Flächen. Nicht mehr „Feste Raumstrukturen“, sondern vielmehr flexible Arbeitssituationen bestimmen die Organisation. Der damit einhergehende Veränderungsprozess, auch Change genannt, beeinträchtigt massiv die Kultur der Unternehmen und stellt hohe Anforderungen an die Branche.
Ich habe das Gefühl, dass sich in der Branche langsam etwas bewegt. Zumindest in die Richtung, Dienstleistungen anzubieten und Planungen zu verkaufen. Ich bin mir noch nicht sicher, ob das ein bewusstes Ausrichten ist oder nur getan wird, um die Produktion weiter stabil auszulasten. Der Fachhandel ist in vielen Belangen noch nicht so weit. Nur einige „starke“ Häuser stellen sich der Aufgabe.
6) Wie lassen sich diese Herausforderungen meistern?
Planung bedeutet nicht, „Bildchen“ zu malen, sondern ist ein intensiver Prozess, der sich mit den Arbeitsabläufen, der damit verbundenen Organisation sowie der menschlichen Biologie und Psychologie beschäftigt. Das erfordert nicht nur rechtliches, ergonomisches Know-how. Vielmehr gilt es zu begreifen, dass Unternehmen ganzheitliche, lebende Organismen sind, die sich verändern. So wie wir uns im Leben den verschiedenen Herausforderungen stellen, so muss ein Unternehmen diesen Veränderungen Rechnung tragen und sich transformieren können. Über das Gebäude bzw. die Fläche über die Technik bzw. Infrastruktur bis hin zum Arbeitsraum bzw. Lebensraum Büro, der immer mehr auch die gesellschaftlichen und kulturellen Bedürfnisse abbildet. Insbesondere unter Berücksichtigung der genannten Megatrends.
Dieser Veränderung als Partner Rechnung zu tragen und auf Augenhöhe zu stehen, erfordert ein Umdenken im Fachhandel wie auch für den Hersteller. Das haben wir im BAKB begriffen und richten uns dahingehend bedingungslos aus.
7) Wie stellst du dir die Büros hierzulande im Jahre 2030 vor? Was könnte dann wichtiger, was weniger wichtig sein als jetzt?
Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Der Begriff VUCA-Welt und das Wort „ambivalent“ sind für mich treffend. Wir arbeiten und leben in einer hoch technisierten, globalisierten Welt, jagen von einem Rekord zum anderen, immer schneller, weiter, höher, und verlieren dabei unsere Lebensgrundlage aus den Augen. Nachhaltigkeit entsteht im ökonomischen, ökologischen und sozialen Miteinander, nicht in Abgrenzung und Wettbewerb, sondern in Vernetzung und Entschleunigung. Nicht in billig und oberflächlich, sondern durch Respekt, Wertschätzung und Würdigung von Produkt und Leistung.
Ich denke, dass das Büro heute wie auch morgen ein Ort der Begegnung ist und sein wird und dass sich die Kultur von Unternehmen in Einrichtung und Arbeitsform des Unternehmens spiegelt. Unternehmen müssen die Soft Facts fördern und begreifen, dass Menschen in Büros nicht nachgelagerte Hygienefaktoren, sondern prägende Produktionsfaktoren sind, deren Bedürfnis darin besteht, sinnvolle, herausfordernde Tätigkeiten in einer starken Gemeinschaft zu leben. Daher sind Führung und Entwicklung für kreative, innovative Umfeldbedingungen ein Muss.
Das bedeutet hohe Eigenverantwortlichkeit, flexible Arbeitsgestaltung mit hoher Agilität, Nutzung der technischen Möglichkeiten, lebenslanges Lernen und auch das Schaffen einer Community, die für die Sache brennt.
8) Das Thema Achtsamkeit ist dir sehr wichtig, vor allem in Bezug auf die Gesundheit. Warum?
Die Zahlen sprechen für sich: Bei einem Anteil von 15,2 Prozent Krankheitstagen durch psychische Belastung (DAK Gesundheitsreport 2018, und das sind nur die bekannten Fallzahlen) stellt sich die Frage nach Ursache und Wirkungsprinzip.
Meiner Meinung nach basiert der empfundene Zeit- und Leistungsdruck auf der Möglichkeit, Wissen stets und überall abrufen zu können. Wir denken immer, auf dem aktuellen Stand der Information sein zu müssen. Dahinter steckt eine Ur-Angst: Ich verliere meinen Job, meinen Lebensunterhalt … Dann bin ich wertlos, kein aktiver Teil der Gesellschaft, ohne Anerkennung und Wertschätzung, sozial isoliert … Sicher ein nicht allzu leicht zu akzeptierendes Szenario, was ich aber am eigenen Leib zu spüren bekommen habe. Ich musste zwei Herz-Ablationen erleben und durchstehen.
Das Prinzip der Achtsamkeit ist hier ein Schlüssel, einem immer weiter fordernden Umfeld und der damit einhergehenden Stressbelastung entgegenzuwirken. Achtsamkeit ist eine innere Haltung dem jetzigen Moment, sich selbst und anderen Lebewesen gegenüber, die sich durch diese Merkmale auszeichnet: nicht bewerten, Geduld, Anfängergeist bewahren, vertrauen, nicht greifen wollen, Akzeptanz, nicht identifizieren bzw. nicht anhaften.
Mit dem von Jon Kabat-Zinn entwickelten Ansatz des MBSR (Mindfulness Based Stress Reduction) gelingt es, sich der tatsächlichen situativ empfundenen Hektik zu entziehen und für den Moment im Moment, im Hier und Jetzt, zu sein. Unsere Gedanken oszillieren zwischen Vergangenheit und Zukunft, und wir verlieren den Bezug zum Gegenwärtigen. Doch wann und wo findet unser Leben statt? Nur in der Gegenwart, im Moment.
Insofern ist es für mich von elementarer Bedeutung, insbesondere in den Trainings, das zu praktizieren und zu üben. Die volle Aufmerksamkeit für die Sache, den Gesprächspartner, die Aufgabe ermöglicht es, zielgerichtet, intensiv, schnell und ergebnisorientiert eine offene und ehrliche und damit erfolgreiche Beziehung aufzubauen. Das ist das, was Menschen wollen.
9) Deine persönlichen Verkaufstipps für den Handel?
Umdenken und bewusstes Handeln. Eine klare innere Haltung für das, was ich tue, und für das, was ich nicht tue!
10) Mit wem würdest du gern einmal im Aufzug steckenbleiben, um mit ihm worüber zu sprechen?
Mit Peter Maffay und Udo Lindenberg. Sprechen würde ich gern mit ihnen über ihre Motivation und darüber, was sie unserer Welt zu sagen haben.
Hab vielen Dank.
Die Fragen stellte Robert Nehring.