10 Fragen, 10 Antworten: Christian Haeser

In welche Richtung bewegt sich die Bürowirtschaft? Was sind die Trends, Chancen und Herausforderungen? OFFICE DEALZZ stellt Fragen. Interessante Persönlichkeiten aus der Branche antworten.

Christian Haeser, Geschäftsführer Handelsverband Wohnen und Büro e.V. (HWB). bwb-online.de. Abbildung: HWB
Christian Haeser, Geschäftsführer Handelsverband Wohnen und Büro e.V. (HWB). bwb-online.de. Abbildung: HWB

1) Herr Haeser, was finden Sie spannend an der Bürowirtschaft?

Christian Haeser: Die Bürowirtschaft ist für mich mit vielen Herausforderungen für die kommenden Jahre verbunden, da sich die Arbeitsweisen in einer modernen Bürowelt verändern und immer flexibler werden. Die Branche steht stärker unter dem Einfluss der Digitalisierung. Der stetige Trend zur Digitalisierung der Büroarbeit und das anhaltende Interesse an attraktiven Büros fordern den Bürofachhandel weiterhin heraus. Hier möchte ich diesen Schritt aktiv begleiten und für unsere Betriebe wesentliche Akzente setzen.

Auch wenn es Forderungen nach zusätzlichen Arbeitsmöglichkeiten im Home-Office gibt, nimmt das Interesse an Büroarbeitsplätzen nicht ab. Im Gegenteil: Unternehmen investieren in attraktive Bürokonzepte, bieten vielfältige Bürolandschaften, experimentieren mit neuen Formen der Zusammenarbeit.

2) Sie haben Rechtswissenschaften studiert und einen Schwerpunkt im Umweltrecht. Wie bewerten Sie den Nachhaltigkeitsgedanken in der hiesigen Bürowelt?

Der Nachhaltigkeitsgedanke ist nicht neu und er birgt Herausforderungen für alle Unternehmen. Dabei ist die spezifische Sichtweise von Industrie und Handel durchaus differenziert zu beurteilen. Nachhaltige Produkte sowie die Beratung durch die Fachhändler stehen im Fokus der Endkunden. Vereinfacht wird die Suche nach diesem gemeinsamen Nenner dadurch, dass das Thema Nachhaltigkeit mittlerweile ein wichtiges Verkaufsargument ist, das sich Unternehmen weltweit im Sinne ihrer CSR-Ausrichtung gerne auf die eigene Fahne schreiben. Dieses Argument und das einhergehende Storytelling lassen sich natürlich sehr gut vom Hersteller über den Händler bis hin zum Abnehmer „durchschleifen“ und ausbauen. Eine Ausrichtung anhand von Ressourceneinsparung und Recyclingkomponenten ist allgegenwärtig und unabdingbar.

3) Über viel Erfahrung verfügen Sie auch im Europarecht. Worauf sollte sich die deutsche Bürowirtschaft aus EU-Sicht in den nächsten Jahren vorbereiten?

Die deutsche Bürowirtschaft wird sich verstärkt auch mit dem Green Deal der Europäischen Kommission befassen müssen. Der Green Deal ist eine langfristige Umwelt- und Wirtschaftsstrategie. Viele Bereiche erleben einen Strukturwandel, wie wir ihn selten gesehen haben. Die Corona-Krise hat bereits jetzt enorme Konsequenzen für die Wirtschaft. Meines Erachtens wird nachhaltiges Wirtschaften auf Dauer Gewinne und Arbeitsplätze sichern. Die Kommission setzt auf einen Umbau der Wirtschaft. Nach Corona wird nichts mehr so sein, wie es vorher war. Der digitale Wandel wird viele Bereiche in der Wirtschaft beschleunigen und vereinfachen, andere Bereiche wiederum ersetzen.

4) Wie bewerten Sie den Zustand der deutschen Bürowirtschaft – die Entwicklung im Allgemeinen sowie vor dem Hintergrund der Corona-Krise?

Beides ist in der jetzigen Situation nicht auseinanderzuhalten. Zu Beginn der Corona-Krise wurde eine Vielzahl von Mitarbeitenden aus den Firmen ins Home-Office geschickt. Nun hat sich diese Vorgehensweise etabliert. Um den Kontakt zu den Mitarbeitern zu halten, wird seitens der Unternehmen vermehrt auf Videocalls und das Intranet gesetzt. Es ist anzunehmen, dass sich diese Arbeitsweisen in einer modernen Arbeitswelt durchsetzen werden. Besonders Videokonferenzen könnten ein Teil unserer Geschäftskultur werden. Nach einer aktuellen Studie des bayerischen Forschungsinstituts für digitale Transformation arbeiteten während der Krise rund 43 Prozent der Beschäftigten im Home-Office. Dort, wo Home-Office im Prinzip möglich ist, erlaubten nun offensichtlich auch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber Home-Office, die dies vor der Krise noch abgelehnt hatten.

5) Wie stehen Sie zur Vision vom papierlosen Büro?

Ein papierloses Büro ist für mich unvorstellbar. Um wesentliche Themen abzuarbeiten, wird nach wie vor konventionelles Arbeiten mit Papier notwendig sein. Gewisse Dokumente wie notarielle Beglaubigungen, Arbeitsverträge und Urkunden gibt es nur in Papierform. Es mangelt aktuell noch an gerichtsfesten, digitalen Signaturen und Zertifikaten. Ohne einen einheitlichen Standard ist papierloses Arbeiten nicht möglich. Zwar werden Dokumente heute vielfach in der Cloud gespeichert, was natürlich die gemeinschaftliche Bearbeitung erleichtert, andererseits zählt am Ende, beispielsweise in rechtlichen Fragen, immer noch das Papier. Darüber hinaus muss bei einem papierlosen Büro der Abwehr von Cyberangriffen eine besondere Bedeutung beigemessen werden. Ja, die Büros werden langfristig papierärmer, aber nicht gänzlich papierlos.

6) Home-Office und sogenannte Third-Places wie Coworking-Spaces – wie sehr nutzen Sie diese selbst, und wie sehen Sie deren Zukunft?

In der jetzigen Phase besteht die Herausforderung darin, dass Home-Office-Plätze legalisiert und kultiviert werden. Home-Office sowie die Entflechtung der Belegschaften in den Innenstädten werden einen hohen Beratungsbedarf der PBS-Branche nach sich ziehen. Hier sind eine gute technische Ausstattung, regelmäßige Team-Meetings, eine klare Trennung zwischen Arbeits- und Privatleben und geeignete Räumlichkeiten maßgeblich. Coworking-Spaces haben sich früh auf den Bedarf am Arbeitsmarkt eingestellt und die Lücke für Freelancer, Kleinstunternehmen etc. gefüllt. Gerade für diese Klientel, die häufig projektbezogen arbeitet, ist dieses System eine gute Lösung, um kurzfristig Infrastruktur zur Verfügung zu stellen. Ich persönlich nutze beruflich das Büro, das Mobile Office und in der jetzigen Situation zudem das Home-Office.

7) Welche Fehler wurden und werden aus Ihrer Sicht in der deutschen Bürowirtschaft gemacht?

Der Digitalisierung wurde in den letzten Jahren nur wenig Beachtung geschenkt. Das bedeutet, dass eine flächendeckende Versorgung mit dem Internet zu gewährleisten ist, da die IT-Infrastruktur ein wesentlicher Bestandteil des Erfolges eines Unternehmens ist. Kommunikation, Datenaustausch und Vernetzung – sowohl mit Kunden als auch mit Geschäftspartnern – sind die Basis für eine erfolgreiche Arbeitskultur und müssen sowohl inhouse als auch mobil grenzenlos funktionieren.

8) Was zählt für Sie zu den größten mittel- und langfristigen Herausforderungen für die hiesigen Bürobranchen?

Der Umgang mit und die Umsetzung von aktuellen Themen und der hohe Innovationsgrad mit stetig neuen Produkten und Technologien, alles in kürzester Zeit, wird unsere Unternehmen beschäftigen. Hieraus resultiert für unsere Branche ein höherer Beratungsbedarf für die Kunden. Aus diesem Grund ist eine ständige Weiterbildung, die in fachlich kompetente Kundenberatung mündet, erforderlich. Das lebenslange Lernen darf auch in unserem Bereich nicht zurückstehen.

9) Wie stellen Sie sich Büros hierzulande im Jahre 2030 vor? Was könnte dann wichtiger, was weniger wichtig sein als jetzt?

In den 1990er-Jahren gab es den großen Einzug der Computer und Drucker in die Bürowelt. Der Höhepunkt der Nutzung der Desktopgeräte ebbt langsam ab, da eher mobile Laptops genutzt werden. Zudem werden verstärkt Tablets als Computerersatz genutzt. Ich sehe einen stetigen Wandel in der Technik, der zu mobilen Arbeitsweisen führt. Dies wird sicherlich mit faltbaren Handys, ausgereiften VR- und AR-Technologien eine neue Entwicklungsrichtung nehmen. Unsere Unternehmen werden diesen technologischen Fortschritt aufgreifen müssen, um den Anforderungen der modernen Arbeitswelt zu genügen.

10) Mit wem würden Sie gern einmal im Aufzug steckenbleiben, um mit ihm worüber zu sprechen?

Ich würde gerne mit Sundar Pichai, Satya Nadella und Tim Cook über den Nutzen und mögliche Gefahren von Künstlicher Intelligenz sowie deren Adaption in die Büroprozesse sprechen wollen.

Haben Sie vielen Dank.

Die Fragen stellte Robert Nehring.